Zwei Seiten
Kapitel 1
»… Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.« Mit diesen Worten beendete der Professor die Vorlesung.
»Ich dachte schon, das würde niemals enden«, murmelte Nathalie, während sie sich neben mir von ihrem Sitz erhob.
»Rede nicht so laut«, sagte ich. »Ich schlafe.«
Nathalie grunzte und zog mich zu sich hoch. »Dann wach mal lieber auf, Scarlett. In ein paar Stunden sind wir schließlich bei Daniel eingeladen.«
Ich schaute auf meine Armbanduhr. Es waren noch fast sechs Stunden bis zur Geburtstagsparty von Nathalies neuer Flamme.
Sie wechselte ihre Lover regelmäßig.
Als wir vor zwei Jahren mit unserem Studium anfingen, hätte ich nicht gedacht, meine Mitbewohnerin würde in vier Semestern mehr Liebschaften haben als ich in meinem bisherigen Leben zusammengenommen. Aber nur weil ich nicht ständig zu irgendwelchen Typen ins Bett stieg, war ich doch nicht automatisch langweilig. Auch wenn Nathalie das so sah.
Wir verließen den Hörsaal und trödelten über den Campus zur U-Bahn.
»Wie läuft es eigentlich mit dir und Matthias?«
Ich blickte Nathalie stirnrunzelnd an. Wusste sie denn nicht, dass ich schon vor einer Woche mit ihm Schluss gemacht hatte? »Wir sind nicht mehr zusammen.«
Nathalie blieb stehen. »Seit wann? Warum hast du mir nichts gesagt?«
Ich zuckte mit den Schultern. Als sie mich aber weiter stumm anstarrte, antwortete ich: »Letzte Woche Dienstag.«
Nathalie wirbelte mit den Händen herum. »Ich bin deine beste Freundin. Du machst nach eineinhalb Jahren mit deinem Freund Schluss und hältst es nicht für nötig, es mir zu sagen?« Sie trat auf mich zu und umarmte mich.
Ich stand steif da.
»Gott, du musst ja vollkommen fertig sein. Was ist passiert?«
Ich zuckte wieder mit den Schultern.
Langsam setzen wir unseren Weg zur U-Bahn fort.
»Sag nicht, er hat fremdgepoppt!«
Ich glotzte sie an.
»Hat er?«
»Nein, hat er nicht. Ich … es hat einfach nicht funktioniert.«
»Was meinst du mit ›es hat nicht funktioniert‹? Ihr wart doch das absolute Traumpaar. Er hat dich immer angebetet und scheinbar war der Sex auch nicht schlecht.« Nathalie wackelte mit den Augenbrauen.
Ich schüttelte den Kopf. »Und wo hast du das gehört?«
Nathalie grinste von einem Ohr zum anderen. »Du kennst doch Alexander. Der große Dunkelhaarige.«
Ich runzelte die Stirn. »Ja?«
»Der hat‘s von seiner Freundin gehört.«
»Was hat denn die Freundin von Al…«
»Warte doch mal«, sagte Nathalie. »Seine Freundin Sandra ist mit Jasmin befreundet.«
»Ich kenn keine Jasmin«, sagte ich.
»Sie dich auch nicht, aber warte doch mal. Also … wo war ich? Ach ja, Jasmin geht jetzt seit ein paar Wochen mit Phillip. Du weißt schon, Phillip Bäcker.«
Ich nickte.
»Und der hängt eben öfter mit deinem frischgebackenen Exfreund rum. Und es kam zwischen den beiden wohl zu so einer Art Männergespräch. Er meinte, du seist eine Granate im Bett und er hätte nie besseren Sex gehabt.«
Mir fiel die Kinnlade runter. Ich hatte unsere ebenso seltenen wie kurzen intimen Augenblicke immer für bestenfalls mittelmäßig gehalten. Sofort schoss mir die Frage durch den Kopf, wie schlecht Sex für Matthias vor mir gewesen sein musste, dass er unsere Schäferstündchen für das Nonplusultra hielt.
»Habt ihr keine interessanteren Themen als mein Sexleben? Ich meine … Herr Gott, diese Jasmin kennt mich ja nicht mal.«
Nathalie kicherte. Anschließend schaute sie mich ernst an. »Also, was genau hat denn nun nicht funktioniert?«
»Wenn ich dir jetzt sagen würde, es war der Sex, wäre das wohl sinnlos. Und ehrlich gesagt wäre mir das eh egal, selbst wenn dem so gewesen wäre.«
»Süße, ich versteh dich nicht.« Nathalie fuhr sich durch ihre langen braunen Haare.
»Er war einfach nicht der Richtige. Das ist alles.«
»Wie du meinst.« Nathalie betrachtete für einen Moment ihre Schuhe. Wieder aufsehend, lächelte sie. »Das heißt dann wohl, wir müssen heute Nacht jemand anderen für dich finden.«
»Oh Mann.« Ich hoffte, Nathalie würde ihre Pläne schnell wieder vergessen.
* * *
»Herzlichen Glückwunsch, mein Schatz.« Nathalie strahlte von einem Ohr zum anderen. Sie schob unser Geschenk in Daniels Richtung und küsste unseren Gastgeber leidenschaftlich, während sie die Wohnung von Daniels Dreier-WG betrat.
Ich folgte direkt dahinter. »Glückwunsch«, murmelte ich und schüttelte ihm die Hand. Daniel und ich mochten einander nicht
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