Zwei Seiten
besonders. Vor Kurzem hatten wir ein Streitgespräch gehabt, und seitdem mieden wir einander, wo immer es ging. Aber Nathalie und ich waren beste Freundinnen. Vermutlich hatte er mich nur deshalb auch eingeladen. Normalerweise wäre ich nie im Leben zur Party gegangen, aber Nathalie meinte, ich müsse mal wieder rauskommen. Und so stand ich jetzt inmitten einer riesig anmutenden Feiergemeinschaft, in der ich bloß drei oder vier Leute kannte.
»Was stehst du denn so rum?« Nathalie ergriff meine Hand und zog mich Richtung Wohnzimmer. »Lass uns was trinken gehen. Was kann ich dir bringen?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Dann überrasche ich dich halt.« Nathalie grinste und drehte sich zum Buffet- und Getränketisch um. Einige Augenblicke später gab sie mir einen Becher mit einer dunklen Flüssigkeit.
»Was ist das?« Ich roch am Becher. Purer Alkohol? Nein, der war durchsichtig.
»Bacardi Cola.«
»Du meinst wohl Bacardi mit einem Spritzer Cola für die Farbe.«
Nathalie rollte mit den Augen. »Übertreib mal nicht. Du sollst dich heute Abend entspannen. Und mein ebenso berühmt wie berüchtigter Fünfzig/Fünfzig-Mix ist dafür genau das Richtige.« Sprach‘s und verschwand in der Menge.
Eigentlich trank ich sehr selten Alkohol, aber vielleicht hatte Nathalie dieses eine Mal recht. Ein bisschen angeschickert zu sein, war vermutlich genau, was ich brauchte. Also nahm ich einen kräftigen Schluck. Dem folgte ein zweiter. Und ehe ich mich versah, war mein Becher leer. Währenddessen sprach ich mit Jan, einem Exfreund von Nathalie, über die anstehenden Klausuren. Es war eine langweilige Unterhaltung, bis eine ziemlich wankende Nathalie neben mir auftauchte und einen Arm um mich schlang.
»Isch hab noch ‘n Becher für disch.«
Ich grinste. »Wie viele von deinen Fünfzig/Fünfzig-Mischungen hattest du schon, wenn ich fragen darf?«
»Mmh …« Nathalie runzelte die Stirn und knabberte auf ihrer Unterlippe herum. Letztendlich hielt sie drei und kurz darauf vier Finger hoch.
Ich schmunzelte. »Wo ist Daniel?«
»Daniel?« Nathalie schaute mich für einen Augenblick an, als würde sie diesen Namen zum ersten Mal hören. »Ach, der redet mit seiner Schwester. Die ham sich wohl ‘ne Weile nich‘ geseh‘n.« Nathalie reichte mir einen Plastikbecher. »Trink.«
Ich nahm einen Schluck und stellte das hochprozentige Getränk beiseite.
»Haste Jan schon gesacht, wie du Matthias abserviert hast?«
Ich schnappte mir den Becher wieder und nahm einen kräftigen Schluck. Sie wusste genau, dass Jan schon seit Längerem an mir interessiert war und mich jetzt sicher anmachen würde. Dieser Abend wurde besser und besser.
»Nathalie, sag nicht, du gehst meinem Bruder fremd.«
Wir drehten uns alle zeitgleich zur fremden Stimme.
Ich löste Nathalies Arm von meiner Hüfte.
Eine äußerst attraktive Frau Mitte zwanzig kam auf uns zu. Attraktiv? Na ja … soweit ich das sagen konnte. Ein Mann konnte so etwas sicher besser beurteilen.
»Das is‘ meine beste Freundin, Scarlett Winter.« Nathalie umarmte mich erneut. »Scarlett, Süße, das is‘ Daniels Schwester, Julia Liebknecht.«
Ich schob Nathalie etwas von mir weg. Meine beste Freundin neigte, wenn sie etwas getrunken hatte, dazu, mich ständig zu umarmen, mir Küsse auf die Wange zu geben und mich »Süße« oder »Schatz« zu nennen. Am besten stellte ich die Sache schnell klar. »Hallo, Julia, freut mich.« Ich ergriff Julias ausgestreckte Hand. »Keine Sorge, ich bin keine von diesen kranken Lesben. Ich glaube auch nicht, dass hier irgendwelche Homos rumlaufen.« Mein Blick wanderte demonstrativ durch den Raum.
Das Lächeln verschwand aus Julias Gesicht und Nathalie beugte sich zu mir vor. »Jetzt bisse aber schön inna Scheiße«, sagte sie in der viel zu lauten Version eines Flüsterns. »Julia is‘ nämlich leschbisch.«
Von allen Seiten ruhten interessierte Blicke auf uns.
Ich musterte Julia, die so gar nicht lesbisch aussah, und trat einen Schritt zurück. »Das tut mir leid.«
»Was tut Ihnen leid? Was Sie gesagt haben oder dass ich auch hier auf der Party bin?«
Ich schüttelte den Kopf. »Weder noch. Es tut mir leid, dass Sie sich für ein solches Leben entschieden haben und Ihren Bruder in aller Öffentlichkeit blamieren.« Nachdem ich das gesagt hatte, bereute ich es auch schon. Es war zwar, was ich fühlte, aber nüchtern hätte ich nie so offen gesprochen. Sicher nicht.
Sowohl Julia als auch Nathalie, die einen Schritt von mir wegtrat,
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