Zwei Seiten
Stadt Nein sagen? Doch ich war mir nicht sicher, ob mir die Gesellschaft schmeckte. Eine Lesbe war ja schon schlimm genug, aber dann noch eine zweite? Wie sonst konnte er das meinen, wenn er von Julia und ihrer Freundin sprach? Wenn Oliver seine Schwester genauso beschützte wie Daniel, musste ich meine Worte diplomatisch wählen.
»Scarlett?«
»Äh … ja. Bitte entschuldige. Julia und ihre Freundin, sagst du?«
»Ja. Normalerweise gehen Julia und ich alleine. Aber Anja hat gerade mit ihrem Freund Schluss gemacht, und deshalb haben wir sie eingeladen. Sie ist eine alte Schulfreundin von Julia. Na ja, mehr so was wie eine Bekannte. Wieso?«
Puh! Erleichtert atmete ich auf. Es könnte wohl doch nett werden. Solange Olivers Schwester an sich hielt.
»Ach, nur so. Klar komm ich.«
* * *
Für mich ungewöhnlich, verspätete ich mich etwas. Ich hatte nach einer Blitzdusche fast eine Viertelstunde vorm Kleiderschrank gestanden. Nach langem Hin und Her hatte ich mich für eine Bluejeans und einen eng anliegenden weißen Rollkragenpullover entschieden.
Wie die meisten Sitzplätze im »New Orleans« waren auch in diesem Fall zwei Sitzbänke, für jeweils zwei Personen, von einem großen dunklen Tisch getrennt. Ich musste schlucken. Diese Anja saß neben Oliver in der Ecke. Das ließ mir den Platz neben Julia. Oh Mann, hoffentlich startete sie nicht irgendwelche Annäherungsversuche. Während ich auf die drei zuging, schüttelte ich innerlich den Kopf. Nicht mal Homos würden so was machen, wenn der eigene Bruder und die betreffende Person …
»Hallo, Scarlett.« Oliver stand auf und begrüßte mich mit einem Kuss auf die Wange. »Schön, dass du da bist.«
Julia und Anja nickten mir zu.
Ich rang mir ein Lächeln ab. »Guten Morgen.« Zögerlich nahm ich neben Julia Platz, ohne sie anzusehen.
Nachdem ich mir einen Milchkaffee bestellt hatte, gingen wir alle zum Buffet und bedienten uns.
Julia setzte sich bei unserer Rückkehr zuerst hin.
Ich nahm neben ihr Platz, versuchte jedoch, jeglichen Körperkontakt zu vermeiden. Trotzdem fühlte ich mich bedrängt. Ich konzentrierte mich aufs Essen und Oliver, der mich mit dem strahlendsten Perlweiß-Lächeln ansah.
»Ich habe gehört, du und Oliver, ihr habt euch gestern Abend kennengelernt?«
Mein Blick wanderte zu Anja. Ich nickte und nahm einen großen Schluck von meinem Milchkaffee. »Ja. Daniel hatte Geburtstag und meine beste Freundin und Mitbewohnerin Nathalie hatte mich im Schlepptau.«
»Ich war gestern Abend«, Anja senkte den Blick, bevor sie mich wieder ansah, »beschäftigt. Ich wäre gerne gekommen. Die Partys bei Daniel sind immer die besten.«
Und dann passierte es: Julia streckte die Hand aus und bedeckte damit Anjas. Sie strich mit ihrem Daumen über Anjas Hand. Gott, dieser Anblick machte mich krank.
Doch keiner der Anwesenden schien davon Notiz zu nehmen.
Julia schaute irgendwann zur Seite und folgte meinem Blick. Hastig zog sie ihre Hand weg.
Oliver erhob sich unterdessen. »Ich hol mir noch was.«
Anja stand auch auf und folgte ihm.
Ich wollte mich anschließen, doch Julia hielt mich am Arm fest.
Fast panisch starrte ich sie an. Was würde sie jetzt versuchen?
»Kann ich mal kurz mit dir sprechen?« Ihr Tonfall war ernst. Flirten klang zumindest bei Heterosexuellen anders.
»Was ist denn?«, fragte ich mit zittriger Stimme. Sie war mir für meinen Geschmack zu nahe, um sie direkt anzusehen, daher guckte ich nach vorne und griff mit beiden Händen meinen Milchkaffee, um ihn wie einen Schild vor mich zu halten.
Julia holte tief Luft, bevor sie sprach: »Ich weiß, dass du ein Problem mit mir hast. Ich habe Oliver nichts davon gesagt. Du scheinst ansonsten ganz nett zu sein. Zumindest was ich von Nathalie gehört habe. Wenn du deine Meinung bezüglich mir und anderen Homosexuellen für dich behältst, hast du bei Oliver eine gute Chance.« Julia ließ ihre Worte einen Moment sacken, bevor sie fortfuhr: »Anja ist nur eine Bekannte. Sie hat nach vier Jahren gestern mit ihrem Freund Schluss gemacht, nachdem er sie betrogen hat.«
Zögerlich schaute ich sie an.
»Ich belästige weder dich noch andere Frauen, bloß weil ich lesbisch bin«, sagte Julia. »Nicht jede Frau ist eine potenzielle Partnerin für mich. Also bitte komm endlich runter und …«
»Da sind wir wieder«, sagte Anja mit einer Fröhlichkeit, die gespielt wirkte.
Julia und ich sahen zu ihr hoch und rangen uns ein Lächeln ab. Zeitgleich standen wir auf.
»Ich … äh
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