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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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übermütig im dunkel schillernden Wasser.
    Die Reiterin, die ihr Pferd bis an den Rand des Felsens gelenkt hatte, stieg ab und wartete im Halbschatten der Bäume.
    Nach einer Weile klomm das Mädchen wieder am Rand des Beckens empor. Wassertropfen schimmerten auf ihrem Körper und das nasse Haar klebte auf ihrem Rücken. Sie ging zu ihren Kleidern, die sie auf den Boden geworfen hatte, und wollte sie aufheben. Da plötzlich bemerkte sie die Frau, die regungslos neben ihrem Pferd stand. Sie hielt in der Bewegung inne, ihr soeben noch heiteres, sorgloses Gesicht nahm einen starren Ausdruck an. Sie hatte eine hohe, gewölbte Stirn und weit geschwungene Lippen. Die mandelförmigen Augen waren von Wimpern beschattet, schwarz wie Holzkohle. Sie leuchteten wie das Wasser, klar und smaragdgrün. Doch der Funke, der in diesen Augen glühte, ähnelte dem einer Tigerkatze, scharf, fest und lauernd. »Was gibt’s?«, fragte sie mit kühler, gleichmütiger Stimme.
    Â»Herrin«, flüsterte die Frau, »die roten Schiffe der Atlantiden kreuzen vor der Insel.«
    Obgleich das Mädchen keine Miene verzog, ging ihr Atem sichtbar schneller. »Wie viele sind es?«, fragte sie kurz.
    Â»Ich sah drei Schiffe«, erwiderte die Frau.
    Das Mädchen presste die Lippen zusammen. Sie bückte sich und hob ihre Kleider auf. Über eine kurze lederne Tunika schnürte sie mit geübter Hand einen Harnisch aus schwarzer Haifischhaut. Sie schnallte einen breiten Ledergürtel, mit Türkisen und Bergkristallen verziert, um ihre schmalen Hüften. Dann ergriff sie ihren Bogen, den sie an einen Baum gehängt hatte, und warf einen Köcher voller Pfeile über die Schulter. Schließlich stieß sie einen Pfiff aus, der an den schrillen Ruf eines Vogels erinnerte. Als Antwort ertönte ein raues, schnaubendes Wiehern. Zweige knackten. Ein Hengst brach mit hämmernden Hufen aus dem Unterholz. Er war von milchigem, fast bläulich schimmerndem Weiß. Die Mähne flutete über den Hals, dessen breite, stolze Wölbung den langen Kopf mit den schwarz funkelnden Augen hervorhob. Seine mächtige Brust, seine hohen Flanken, seine schmalen und doch kräftigen Beine zeugten von edelstem Blut. Während er näher trat, tänzelte er verspielt und rieb die feuchten Nüstern an der Schulter des Mädchens. Dieses umklammerte die dichte, mit Amuletten durchflochtene Mähne. Mit einem geschmeidigen Sprung schwang es sich auf seinen Rücken und trieb den Hengst mit Knien und Fersen an. Sogleich fiel das Pferd in Galopp. Die Frau, die ebenfalls aufgestiegen war, jagte ihr Reittier hinter ihm her. In gewaltigen Sätzen sprengten die Pferde dem Dickicht entgegen und verschwanden im Schatten des Waldes.
    Vor bald einem Jahrhundert hatte das Volk der Amazonen seine Grotten verlassen und lebte in Häusern aus sonnengebrannten Ziegeln, die sie eigenhändig herstellten. Im Zentrum der von einer hohen Mauer umgebenen Stadt befand sich der Palast der Königin, ein würfelförmiger Bau, luftig errichtet und nach der aufgehenden Sonne orientiert. Vor dem Palast, inmitten einer zur Verteidigung ausgebauten Umfassungsmauer, die Tag und Nacht bewacht war, wurde in einem Heiligtum ein schwarzer Stein aufbewahrt, von dem man sich erzählte, er sei in uralten Zeiten vom Himmel gefallen. Der Überlieferung nach sollte die Macht der Amazonen so lange ungebrochen sein, wie sich der »Sternenstein« - so wurde er genannt - in ihrem Besitz befand.
    In den rechteckig angelegten, weißen, sauberen Straßen sah man nur Frauen, vor allem junge, und kleine Mädchen. Knaben gab es kaum und noch weniger Männer. Die Amazonen hielten sich männliche Sklaven, die in ihren Salz- und Kupferminen arbeiten mussten. Doch durften diese Sklaven nicht in der Stadt leben. Diejenigen Amazonen, die sich zu verheiraten wünschten und in die Vasallengemeinschaften der Inseln übersiedeln wollten, wurden nicht daran gehindert. Doch waren sie verpflichtet ihre Töchter in den Dienst der Königin zu stellen, um die Ablösung zu gewährleisten und die Fortdauer des Staates zu sichern. Die Reiterinnen sprengten im Galopp durch die geradlinigen Straßen, die zum Palast führten. Die Hufe hämmerten auf das Pflaster. Die Frauen traten zur Seite und schauten ihnen nach. Schon warnte sie ihr immer wacher Instinkt vor einer Gefahr. Ein erregtes Flüstern wurde in der Menge

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