Zwei Sonnen am Himmel
hörbar.
»Es ist Isa, die Tochter unserer Königin, mit einer der Küstenwächterinnen. Sie scheinen schlechte Nachrichten zu bringen â¦Â«
Hoch gewachsene, schwarzhäutige Frauen, die Schultern mit Fischotterfellen bedeckt, hüteten den Palast, dessen halbmondförmige Kuppel sich weià vom dunklen Blau des Himmels abhob. Eine Treppe von einundzwanzig Stufen führte zum Thronsaal. Ohne ihren Galopp zu verlangsamen zwang Isa, die blonde Königstochter, den Hengst die Treppe zu erklimmen. Die Wächterin folgte. Schnaubend und schweiÃbedeckt überwanden die Tiere das Hindernis, während die Palastwächterinnen ihre gefiederten Lanzen zum ehrerbietigen Gruà senkten. Mit lautem Hufgeklapper drangen die Pferde in die Palasträume ein. Ihre Umrisse hoben sich von dem flimmernden Himmel im Gegenlicht ab. Im kühlen Halbschatten des Empfangssaales schlief ein weià gekleidetes Mädchen auf einem Ziegenfell. Sie öffnete verstört die Augen. Doch als sie in die starren Mienen der Reiterinnen blickte, war sie sofort hellwach und erhob sich mit einer leichten, federnden Bewegung.
Isa zog die Zügel straff. »Wo ist die Königin?«
»Meine Herrscherin ruht«, antwortete das Mädchen. Ihre Stimme klang achtungsvoll, aber nicht unterwürfig und ihre Augen blickten gelassen und fest.
»Geh und melde meiner Mutter, dass ich sie sofort sprechen muss«, befahl Isa.
Das Mädchen deutete eine Verbeugung an. Sie wirbelte herum und lief durch den Saal. Lautlos eilte sie durch die Gänge, in die das Tageslicht nur durch schmale, in die Wand gehauene Spalten sickerte. Der Boden war mit kühl schimmernder Keramikglasur bedeckt und mit Ziegenfellen und Binsenmatten ausgelegt.
Das Mädchen schob einen Vorhang beiseite, in dem Fisch- und Vogelmotive eingewebt waren. Leise drang sie in das Gemach der Königin. Das Lager, auf dem die Herrscherin ruhte, war aus Ebenholz, mit Einlegearbeiten und Schnitzereien verziert. Es war mit Fellen von Zibetkatzen und weichen Wolldecken ausgelegt. Die Waffen der Königin hingen an der Wand: der gefiederte Bogen, der Köcher voller Pfeile mit elfenbeinernen Spitzen, das lange Schwert und der bronzene Schild, der Spiralmotive aufwies. Neben dem Bett stand eine groÃe, schön geschnitzte Holztruhe für die Kleidung.
Zenas Atem ging gleichmäÃig und tief. Ihr üppiges, kastanienrotes Haar schimmerte im Halbdunkel. Das Gesicht war breit, die Nase klein und ein wenig flach, die Augen zeigten schräg nach oben gehenden Schnitt, und einige Falten bildeten sich bereits um ihren Mund. Doch im Schlaf wirkten ihre Züge entspannt und edel. Die schwieligen Flächen ihrer geöffneten Hände, die sich vom Handhaben der Waffen gebildet hatten, waren deutlich sichtbar â¦
Leise trat die Dienerin näher. Ihre Hand hob sich, wie um die schlafende Herrscherin zu wecken, berührte sie jedoch nicht. Zenas Lider bebten. Es war, als ob sie im tiefen Schlaf die Anwesenheit des Mädchens gespürt hätte. Sie schlug die Augen auf. Ihr ruhiger, scharfer Blick richtete sich auf die Dienerin, die demütig das Haupt beugte.
»Nun?«, fragte Zena.
»Isa ist soeben zurückgekommen«, flüsterte die Dienerin. »Sie bringt Nachrichten von der Küste â¦Â«
Mit geschmeidiger, rascher Bewegung richtete Zena sich auf. Sie trug eine karminrot gefärbte Ledertunika, dazu hirschlederne Beinkleider. Während sie ihren Schwertgurt, der mit Korallen und Amethysten verziert war, befestigte, reichte ihr die Dienerin das Schwert. Die lange, vollendet geformte Klinge galt als das Werk eines Meisters unter den Waffenschmieden. Der mit Edelsteinen besetzte Griff stellte einen kunstvollen Knoten geringelter Schlangen dar.
Die Dienerin schlug den Vorhang zur Seite. Die Königin verlieà das Gemach, bewegte sich durch die Gänge mit leichten, federnden Schritten.
Die Wächterin sank auf die Knie, als die hohe Gestalt zwischen den Säulen sichtbar wurde. Isa jedoch blieb stehen und beugte nur kurz das Haupt zum GruÃ. Die Pferde waren aus dem Empfangssaal geführt worden. Zenas Augen richteten sich auf ihre Tochter. Sie sah, dass das Mädchen schwitzte. »Sprich«, sagte sie gelassen. »Drei Galeeren liegen vor der Küste«, entgegnete Isa. »Sie werden die Insel erreichen, bevor der Schatten sich wendet.«
In Zenas Augen glomm ein Funke auf. Sie hob den Arm. »Man gebe
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