Zwei Toechter und drei Hunde
werden<. Im Grunde auch Angst, diesmal vor dem freien Berufskampf. Und zum Schluß: gesicherter Lebensabend im Kreise der Kinder und Enkel<.
Ich sehe wie in einer Vision sein Gesicht, wie er, nachdenklich seine Haare zurückstreichend, meinem Wagen nachsah, aber daneben sehe ich im Geist auch das nervöse, hochgespannte Gesicht Margots. Was hat sein neues Gesicht noch mit dem Buddy zu tun, der die >Blase< anführte, die Mädchen betörte und die Eltern an der Nase herumführte? Der auf dem Brückengeländer balancierte und an Margots Seite die Dschungel der Großstadt erkundete, dem Buddy, den sie liebte und der so hochgespannt war, wie sie ist? Die beiden Gesichter passen nicht mehr ineinander. Von ihrem gemeinsamen Weg war er plötzlich rechtwinklig abgebogen. Hatte sich in ein Chamäleon verwandelt. Und das war nicht etwa ein plötzliches Erwachsenwerden, keine Abkehr von den Jugendeseleien. Es war eine Abkehr von der großartigen, alten Gemeinschaft, die sie verbunden hatte. Es war Absturz aus der Liebe in den Machtkampf der Geschlechter. Es war, wie gesagt, mit einem Wort: Angst. Sieben Jahre aufeinander warten, das war nicht nur für Margot, auch für ihn ein zu schwieriger Weg. Und nun ist er plötzlich von diesem Weg abgebogen. Warum?
Das Weffchen kommt angehoppelt und legt mir einen kleinen Zweig vor die Füße. Ich werfe ihn ins Wasser, ganz vorn an den flachen Uferrand. Er holt ihn heraus und trägt ihn stolz hinter den beiden anderen her.
So ein Abbiegen, das kann ja bei jedem vorkommen. Wir sind nicht ein, sondern ein ganzes Bündel Menschen. Unser sogenanntes Ich ist wie ein Auto voll ungebärdiger Lümmel, die sich alle um das Steuer streiten. Jeder kann es mal für eine kleine Weile festhalten, bis ihn ein anderer zur Seite stößt. Manchmal drehen auch mehrere gleichzeitig daran, dann fällt die Karre um oder stürzt in den Abgrund. Aber ich kann mich trotz alledem des Gefühls nicht erwehren, daß Buddy keineswegs in den Abgrund gestürzt ist, sondern nur einen anderen Weg gefunden hat, der sein eigentlicher, aber nicht mehr der Weg Margots ist. Wer will ihm daraus einen Vorwurf machen? Ich am allerwenigsten. So was kann passieren. Aber dann gibt es noch eine mögliche Erklärung, von der ich hoffe, daß sie nicht zutrifft. Manchmal versteckt sich ein schweres, körperliches Leiden hinter solch einer Veränderung, ein Leiden, von dem die Seele schon weiß, das aber erst nach Jahren deutlich wird. Lauter Fragezeichen — das ist jammervoll!
Wir Menschen messen die Magnetfelder von Venus und Mars, aber in uns selbst irren wir herum wie verlaufene Kinder in einer großen, fremden Stadt. Jedenfalls hat Buddy für sein Abbiegen einen furchtbaren Preis bezahlen müssen. Er wird es überwinden, wenn auch die Wunde in seinem Herzen bleibt. Man kann nur hoffen, daß er sich nicht verhärtet, daß er zum Mann und nicht zum Zyniker wird. Ich hoffe, er wird daran wachsen. Vielleicht belohnt ihn das Schicksal mit einer zweiten großen Liebe.
Ich stutze und lächle zum erstenmal wieder: schon wieder optimistisch, du Unverbesserlicher? Ich pfeife den Hunden und bahne mir einen Weg durch den Schilfwald zum Ufer empor, wo die herbstlichen Buchen wie bunte Fackeln stehen. Links davon das Birkenwäldchen, das noch grüne Blätter trägt, wenn sie auch schon etwas matt und trocken sind. Vom See her, der immer größer wird, je höher ich steige, kommt es jetzt mit pfeifenden Flügelschlägen, hui-hui-hui über die gläserne Weite: drei Schwäne, die ihr Jagdrevier wechseln, die Hälse weit vorgestreckt, die klare Herbstluft mit königlichen Schwingen peitschend.
Ich wende mich um und sehe unsere beiden Häuschen. Sie sind so weit entfernt, daß ich nicht erkennen kann, was dort vorgeht. Aber — ich kann’s mir vorstellen.
War es überhaupt richtig, sich einzumischen? Wenn ich jetzt, in diesem Augenblick, die Möglichkeit hätte, mich noch einmal zu entscheiden zwischen Einmischung und Heraushalten — was würde ich tun? Und ich weiß es sofort. Genau dasselbe. Weil ich Werkzeug war, das erkenne ich jetzt. Und mehr noch, daß ein Werkzeug zur Seite gelegt wird, wenn man es nicht mehr braucht. Wie könnte ich länger traurig darüber sein...
ENDE
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