Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Zwei wie wir: Roman (German Edition)

Titel: Zwei wie wir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
Vom Netzwerk:
schwieriger. Denn in den meisten Klubs oder Diskotheken kommt man sich vor, als wäre man ein Abiturient auf der Unterstufenparty. Die Stadt gehört zwischen 22:00 Uhr und 6:00Uhr morgens Minderjährigen und Mittzwanzigern.
    Keine Ahnung, wohin die ganzen Menschen in unserem Alter verschwinden. Kann es sein, dass sie wirklich einfach nur im Bett liegen?
    Zu meiner Verblüffung stelle ich fest, dass Gerrit das völlig egal ist. Ihm ist nicht klar, dass er auch schon über vierzig ist. Und wenn doch, dann hat er es spätestens nach dem zweiten Glas Bier vergessen.
    »Komm schon, Alex. Ich kenne einen wirklich angesagten Laden. Interessante Leute. Künstler und so. Das wird dir gefallen, glaub mir.«
    »Ich muss Inna noch anrufen und ihr sagen, dass es später wird.«
    Gerrit feixt. »Ja, tu das. Sag Frauchen, dass Hundi noch ein bisschen Gassi geht.«
    »Idiot.«
    »Hör dir selbst zu. Ich wiederhole es nur.«
    »Gott, Gerrit!«
    »Ich sag’s ja nur.«
    Ich lasse mein Handy wieder unverrichteter Dinge in die Tasche gleiten und begleite Gerrit in eine Kneipe in einer Seitenstraße auf dem Kiez. Er kennt die meisten Gäste, stellt mich ein paar Leuten vor, und ich quatsche mit ihnen über Musik, Bands und Bars. Es sind gute Gespräche, bis auf die Tatsache, dass öfter mal jemand anerkennend nickt und meint, dass ich mich für mein Alter ja ganz gut in der Szene auskennen würde. Für mein Alter . Muss sich Prince oder Eric Clapton so etwas eigentlich auch anhören? Dass sie für ihr Alter ganz gute Musik machen? Oder Clint Eastwood? Dass er für sein Alter noch ganz gute Filme macht?
    Hey, ich bin 44 Jahre alt! Ich bin Cafébetreiber in der Schanze. Ich trage Jeans und T-Shirts mit witzigen Aufdrucken, ich habe alle Filme von Quentin Tarantino gesehen und habe im Schuster’s ein paar Stammgäste, die die meisten hier nur aus dem Fernsehen kennen.
    Ich komme mit Jana, einer Freundin von Gerrit, ins Gespräch. Sie trägt eine silberne Perücke und geht auf Plateauschuhen. Kunststudentin. Hübsch. Interessant. Für meine Begriffe ein wenig bemüht.
    Ich erzähle Jana, dass mich ihr Outfit anturnt. Sie beugt sich zu mir, nickt mir mitleidig zu und sagt: »Hey Alter, notgeil oder was? Wie kommt’s? Läuft zu Hause mit der Alten nichts mehr?«
    Bevor ich antworten kann, dreht sie sich um und springt kreischend auf ein paar Freundinnen zu, die sich schon die ganze Zeit darüber gewundert haben, warum sie sich so lange mit mir unterhält.
    Trotz diesem Zwischenfall steigt meine Laune im Laufe des Abends wieder auf ein überlebensfähiges Niveau. Ich halte mich an Bier und Wodka. Gegen Mitternacht beschließen Gerrit und ich, den Abend zur Nacht zu machen. Inna kann ich jetzt sowieso nicht mehr anrufen, weil sie ziemlich sicher schon im Bett liegt und schläft. Ich überlege kurz, was schlimmer ist – sie zu wecken oder eben nicht Bescheid zu sagen. Gerrit muss gar nichts dazu sagen. Es reicht, wie er mich anguckt. Ich mache eine wegwerfende Handbewegung und trotte ihm hinterher zu seinem Auto.
    E i ne halbe Flasche Wodka und ein Dutzend Astraknollen später bin ich in einem Zustand, den Buddhisten Erleuchtung nennen. Ich denke an alles Mögliche, aber nicht mehr an meine Frau. Wir klappern die Kiezkneipen ab wie Hausfrauen die Warentische im Schlussverkauf, Lehmitz, Molotow, sogar die Touristenläden rund um den Hans-Albers-Platz. Wir lassen uns von den guten Liedern anziehen und von den miesen vertreiben, reden mit Mädchen, wehren die Nutten ab, schieben zwischendurch einen Lammcurry Masala ein und begraben das Ganze mit Tequila.
    Es ist schon weit nach ein Uhr, als uns der Abend in den Silbersack spült, eine Kneipe, deren Look sich in den letzten fünfzig Jahren nicht verändert hat. Angegilbte Tapeten, billige Resopaltische, eine Tresenfrau im Blümchenkittel, die hier wohl seit der Nachkriegszeit steht. Aber der Laden ist angesagt. Es ist so voll, laut und verschwitzt wie in einem Hallenbad. Und in einer lauen Sommernacht wie dieser sogar noch ein wenig mehr. Dann sind zwei Frauen bei uns, Mitte dreißig, die auf einem angenehmen Level besoffen sind. Sie unterhalten uns durch eine Gruppe Touristen hindurch, denen das natürlich gar nicht passt. Es sind dämliche Typen, Modell Kegelbrüder, die die beiden Frauen mit Sprüchen anflirten, mit denen man nicht mal eine Bäuerin in Vorpommern vom Trecker bekäme.
    Die eine der Frauen, kastanienbraune Haare, kluge Augen, starrt einen der Typen kopfschüttelnd an, als der es

Weitere Kostenlose Bücher