Zwei wie wir: Roman (German Edition)
dass diese Sache zwischen Inna und mir völlig klar ist. Keine Geschichten nebenher. Gucken ist erlaubt, anfassen ist verboten. Wir haben uns bisher beide dran gehalten. Ist vielleicht ungewöhnlich. Aber es fällt mir nicht einmal schwer. Dafür läuft’s zu gut zwischen uns, als dass ich es für ein bisschen kurzen Spaß riskieren würde.
»Appetit holen ist erlaubt, gegessen wird zu Hause? Was für ein Scheiß!«, sagt Gerrit und wedelt sich mit der flachen Hand vor dem Gesicht herum.
»Ich fahre gut damit.«
»Tatsächlich?«
Gerrit grinst. Die Stimmung ist versöhnlich. »Ach, was soll’s. Los, lass uns von hier abhauen. Ich habe auch keine Lust mehr.«
»Und was ist mit dir? Ich meine, mit Marina?«
Er winkt ab. »Los, ist unser Abend. Nur du und ich.«
W i r besorgen uns zwei Dosen Bier an der Tankstelle und gehen runter ans Elbufer. In den Sommermonaten kriecht um die Uhrzeit, es ist zwischen drei und vier Uhr morgens, schon das erste Licht über den Horizont. Wir stoßen an, trinken und atmen die klare, frische Morgenluft. Mir surren die Ohren nach den Stunden in den Kneipen. Es tut gut, draußen zu sein. Es tut gut, mich bewegt zu haben, ohne dabei zu weit gegangen zu sein. Früher hätte eine solche Nacht nicht alleine geendet. Sylvia gefiel mir. Zu dir oder zu mir? Natürlich hätte ich die Frage gestellt. Früher. Jetzt kehre ich brav nach Hause zurück und muss mir vermutlich morgen von Inna Dinge anhören, die auch Strafgefangene zu hören bekommen, nachdem sie versucht haben, aus ihrer Anstalt auszubrechen. Und das, obwohl ich es ja gar nicht getan habe.
Das ist halt das Dilemma des Lebens. Das eine zu bekommen, heißt, auf das andere zu verzichten. So wie im Restaurant. Wenn du Menu A bestellst, wirst du Menu B und C eben nicht essen können. Wenn du heiratest und eine Familie gründest, bist du eben nicht mehr frei und Single.
Ich weiß, dass andere Typen das ganz anders sehen. Sie sind Jäger und Sammler. Sie sind verheiratet, haben eine Familie, ein Haus, Kinder, was weiß ich. Aber das hält sie nicht davon ab, dennoch regelmäßig Abenteuer auszukosten.
Kann man machen. Muss man aber nicht. Alles hat seinen Preis. Dabei kann ich mich nicht beschweren. Ich habe immer noch mehr Freiheit als viele andere. Inna lässt mir eine verdammt lange Leine. Nur dass ich abends oder nachts eben tatsächlich immer zu Frauchen zurückkehre, wie Gerrit es ausgedrückt hat. Und auf einmal fällt mir wieder der Traum mit dem Lederhalsband ein, das mir Inna angelegt hatte …
Die größte Kunst im Leben besteht wohl darin, zufrieden zu sein. Eben nicht auf das zu starren, was man nicht hat. Sondern auf das, was man hat. Und zu wissen, dass es gar nicht so übel ist.
Wir stoßen noch einmal mit unseren Dosen an. Kein schlechtes Gefühl, einen neuen Tag mit einem Schluck Bier zu begrüßen. Prollig, aber wohltuend. Ein Kurzurlaub.
5
G a nz am Anfang sind es deine Eltern, dann ist es deine Freundin, dann deine Frau – aber irgendwer ist einfach immer da, der dir die Hölle heißmacht, wenn du erst im Morgengrauen nach Hause kommst, ohne vorher Bescheid zu sagen.
Inna ist auf hundertachtzig, aber das bekomme ich erst am Abend mit. Denn als ich am späten Vormittag aufwache, ist das Haus verlassen. Julian und Emma sind in der Schule, Inna bei der Arbeit. Es herrscht eine wohltuende Ruhe.
Die Ruhe vor dem Sturm.
Ich stehe auf, dusche und bringe meine Körperkoordination so weit unter Kontrolle, dass ich runter in die Küche gehen kann.
Während der Kaffee durch die Caffettiera blubbert, rufe ich Erik an, um mich zu vergewissern, dass im Schuster’s alles läuft. Ich hatte ihm noch in der Nacht eine SMS geschickt und mich für heute entschuldigt.
Dann entdecke ich eine kurze Notiz auf dem Board im Flur. Inna teilt mir mit, dass sie sich die Dinge ein wenig anders vorgestellt hätte. Gestern Abend. Und überhaupt. Sie hätte nämlich geglaubt, einen zivilisierten Mann geheiratet zu haben, und nicht ein Urzeit-Warzenschwein mit den Sitten eines Neandertalers. Damit meint sie mich.
Als Abschiedsgruß steht unter der Notiz in Großbuchstaben und unterstrichen: SCHADE !
I c h kenne Inna gut genug, um zu wissen, was das bedeutet. Ich stecke in Schwierigkeiten.
Das Seltsame bei ihr und mir ist nämlich, dass wir uns nie wegen wirklich ernster Dinge streiten. Dafür aber umso heftiger wegen Kleinigkeiten.
Das heißt, es ist nicht einmal korrekt zu sagen, dass wir uns deswegen streiten. Sondern sie
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