Zwei Wochen danach (German Edition)
herausgestürzt kamen.
Zuerst Marcus und dann der kleine Pit.
Sie hat sie in den Arm genommen und selbst gestaunt über ihre Fassung. Hat sie einfach begrüßt, als würde sie mal wieder zu Besuch kommen.
„Mama schläft“, hat Marcus gesagt und sie ins Haus gezogen. „Omm Oma“, hat Pit sie an ihrer Jacke gefasst.
Kristel schaltet die kleine Lampe neben ihrem Bett ein und steht vorsichtig auf. Jeder Schritt dröhnt in ihren Schläfen und sie atmet tief.
Die Buben sind noch zugedeckt. Kristel geht in die Küche hinüber und nimmt sich eine Tablette aus dem Oberschrank.
Sie spürt das leichte Kratzen und das kalte Wasser in ihrem Hals. Halb voll stellt sie das Glas auf den Tisch und legt sich erschöpft auf ihrem Ellenbogen ab.
Jetzt kann sie endlich weinen.
***
Pilot stirbt bei Flugzeugzusammenstoß
München/Oberschleißheim – Ein 37-jähriger Pilot ist beim Zusammenstoß zweier Segelflugzeuge nord-östlich des Flugplatzes Oberschleißheim tödlich verunglückt.
Bei dem Unfall am Freitagnachmittag verlor eines der einsitzigen Segelflugzeuge nach der Kollision sehr schnell an Flughöhe und prallte nahezu senkrecht ins freie Feld.
Der Pilot des Motorseglers versuchte notzulanden und stürzte aus etwa hundert Metern Höhe in den Unterschleißheimer See.
Rettungskräfte der Regattarettung konnten den 42-jährigen Piloten erst nach über zwanzig Minuten bergen. Der Mann schwebt in Lebensgefahr.
Die Ursache des Zusammenstoßes war zunächst unklar. Die Kriminalpolizei und ein Experte des Luftfahrtbundesamtes haben die Ermittlungen aufgenommen.
Samstag
(Joachim)
Am liebsten wäre ich hiergeblieben. Warum soll ich mir von dieser Schwester etwas sagen lassen?
Doch dann kommt der Arzt und bittet mich in aller Höflichkeit nach draußen.
Ich könne ja wiederkommen. Gleich nach elf könne ich wiederkommen.
Mir fällt es nicht leicht, mich zu fügen. Langsam gehe ich den Gang entlang und warte vor dem Fahrstuhl.
Als er die Etage erreicht, betrachte ich meine zerzausten Haare im Spiegel. Die schwarzen Stoppeln am Kinn sehen ungepflegt aus und mein Gesichtsausdruck wirkt ausgebrannt.
Mag sein, dass der Arzt Recht hat. Vielleicht bräuchte ich wirklich eine Dusche und ein paar Stunden Schlaf. Aber ich kann doch meinen Jungen nicht im Stich lassen!
Ich bin allein im Fahrstuhl.
Bevor sich die Türen öffnen, wische ich mir mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen. Immer noch bin ich wütend, dass ich gehen muss. Vielleicht auch nur ängstlich. Wenn in meiner Abwesenheit nun etwas passiert!
Als ich auf die Straße trete, ist es noch nicht mal sieben. Mir ist kalt und ich laufe zügig.
Noch gestern habe ich mich auf Ostern gefreut. Doch heute ist mir die Welt egal. Ich, Joachim Karstenberger, bange um das Leben meines Sohnes.
"Verflucht!“ Meine Hände ballen sich kurz zu Fäusten. Warum habe ich Ralph das Fliegen nicht verboten? Nicht verbieten können!
Plötzlich finde ich etwas, womit ich meinen Zorn umlenken kann: Nicht ich allein bin schuld. Nein!
Nicole! Warum hat sie nichts getan? Niemals hätte sie ihrem Mann die Zustimmung geben dürfen!
Wenn er doch nur am Leben bliebe!
Einen Pakt habe ich geschlossen in der letzten Nacht. Wenn Ralph doch nur am Leben bliebe! Mein eigenes würde ich hergeben dafür. Was war es schon wert dagegen?
Ich war doch nicht Vater geworden, um meinen Sohn vor mir sterben zu sehen!
Ein Auto hupt und ich schrecke hoch. Ich habe nicht bemerkt, dass die Ampel auf der zweiten Hälfte der Straße schon wieder rot zeigt. Der Fahrer bremst widerwillig und ich gehe langsam weiter, ohne ihn zu beachten.
Dann biege ich in die Seitenstraße ein und für einen Moment werde ich geblendet. Ich sehe hinüber auf die andere Straßenseite. Es ist das Spiegelbild der aufgehenden Sonne in einem Fenster oben im vierten oder fünften Stock.
Nachdenklich bleibe ich stehen. Am meisten tun mir Raphael und Susanne leid. Es sind doch fast noch Kinder! Der Gedanke, der mir kommt, bringt mich zum Weinen. Dass mir in meinem Alter noch einmal so etwas passieren würde!
Ich schäme mich und muss mir die Hand vor die Augen halten. Susanne und Raphael. Was soll aus ihnen werden?
***
(Nicole)
Oje, meine Eltern! Sie werden sich Gedanken machen, wenn ich nicht aus dem Zug steige! Ich muss sie heute unbedingt anrufen.
Dann lässt es mir keine Ruhe mehr, auch wenn die Klinik uns schon längst Bescheid gegeben hätte. Als ich das Gefühl habe, dass die Tapferkeit ausreicht,
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