Zwei Wochen danach (German Edition)
ihr meine kalte Hand. „Nicole“, lächle ich sie an und sie scheint einverstanden damit zu sein, dass wir uns duzen.
Kaum hat sie sich mir gegenüber auf den Stuhl gesetzt, fragt sie nach Ralph. Sie freut sich aufrichtig für mich, als ich ihr erzähle, dass er am Montag aufgewacht ist und es ihm gut geht.
Sie schaut mich mit schrägem Kopf an.
„Du siehst nicht gerade glücklich aus!?“
Ich winke ab. „Alles nicht so einfach“, sage ich nur. Es ist mir unangenehm, mit ihr darüber zu sprechen. Sie wäre froh, wenn sie ihren Mann noch hätte. Das bringt mich zum Nachdenken. Wie wäre es wohl für mich gewesen, wenn Ralph gleich bei dem Unfall ums Leben gekommen wäre? Hätte ich auch irgendwann an unserer Beziehung gezweifelt?
Die Kellnerin kommt, um unsere Bestellung aufzunehmen. Dann frage ich, wie es ihr geht.
„Meine Eltern haben mir angeboten, bei mir einzuziehen“, sagt Heike. „Ich müsste dann das Haus nicht verkaufen, aber ich zögere noch.“
„Ist es denn groß genug für alle?“, frage ich.
„Wenn wir ein bisschen umräumen.“
Kurz überlege ich. Ihre Kinder sind noch klein. Und sie muss sonst ganz allein zurecht kommen.
„Ich glaube, ich würde es machen!“, platze ich heraus.
„Es muss ja nicht für ewig sein. Bis deine Kinder ein bisschen älter sind. Meine brauchen mich kaum!“
Immer noch ein bisschen zweifelnd schaut sie mich an.
„Wohnen deine Eltern zur Miete?“, frage ich nach.
„Ja, Gott sein Dank.
Und mein Vater arbeitet ein paar Tage die Woche in München. Auch für ihn wäre es eine Erleichterung.“
Sie macht eine Pause und ich frage mich, was sie davon abhält.
„Es ist nur ... Ich hasse es, wenn so über mich bestimmt wird!“
„Das kann ich gut verstehen, aber ich glaube, deine Eltern wollen dir gern irgendwie zur Seite stehen.
Da solltest du einfach nur egoistisch sein.“ Ich setze mich ein klein wenig zurück und sehe an der Kellnerin hoch, die die Getränke abstellt. Wir haben uns beide für eine Cola entschieden.
„Deine Mutter macht sich Sorgen um dich! Ich glaube, sie möchte nicht von der Ferne zusehen, wenn sie doch helfen könnte.“
Sie wird nachdenklich und auch meine Gedanken schweifen ab. Stumm essen wir unseren Salat. Ab und zu lächeln wir uns an.
Ich weiß jetzt wirklich nicht mehr, was ich machen soll. Die ganze Zeit, als Ralphs schöne blaue Augen geschlossen blieben, war es so einfach.
Doch seit gestern spüre ich wieder Gefühle für ihn. Gefühle, gegen die ich mich nicht wehren kann. Nicht wehren sollte?
Auch jetzt kribbelt es wieder in mir.
Ich beginne zu glauben, dass mein Mann eine andere Frau akzeptieren muss, wenn er sie behalten will.
„Wie ist es eigentlich mit so großen Kindern?
Gehst du arbeiten?“, fragt Heike.
„Nein. Aber bald“, höre ich mich antworten.
***
(Kristel)
Kristel wartet im Wohnzimmer. Kurz nach elf hört sie den Schlüssel an der Tür.
„Sie ist nett, nicht wahr?“, fragt sie, als sie ihre Tochter begrüßt.
„Ja, sie ist nett!“, lächelt Heike. „Wir haben uns so gut unterhalten, dass ich vergessen habe, auf die Uhr zu sehen. Entschuldige!“
„Macht nichts! Wir bleiben hier. Dein Vater hat das Gästebett zurechtgemacht. Er liegt schon oben.“
„Ich bin total munter. Ich habe unzählige Colas getrunken.“ Heike hängt ihre Jacke an der Garderobe auf.
„Das könnte ich öfter haben.“
Kaum hörbar vernimmt Kristel Heikes letzten Satz.
Dann dreht sich ihre Tochter zu ihr um.
„Lass uns überlegen, wie wir es machen können, wenn du und Papa hier einziehen!“
Obwohl sie am liebsten geschrien hätte: „Ja! Machen wir das!“, bringt Kristel keinen Ton heraus. Sie läuft hinter Heike her ins Wohnzimmer.
***
Freitag
(Heike)
Ein Stapel ungeöffneter Briefe liegt vor Heike. Sie hat es sich am Wohnzimmertisch gemütlich gemacht, gleich nachdem sie Marcus in den Kindergarten gebracht hat.
Ihre Eltern waren so nett, Pit in die Krippe mitzunehmen.
Heute ist Heikes letzter freier Tag. Vor ihr brennt eine Kerze. Sie möchte den Augenblick genießen.
Der gläserne Brieföffner liegt auf dem Tisch. Heike nimmt ihn auf und fährt sachte den gefalzten Rand entlang.
So öffnet sie einen nach dem anderen, die neueren zuerst.
Sie legt die Karten, die sie daraus hervorzieht, auf einen Stapel und die Umschläge auf einen zweiten.
Zaghaft beginnt sie zu lesen.
Die erste Karte ist von Sebastians Kollegen. Sie haben alle darauf unterschrieben, sogar der
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