Zweite Chance - zu dritt
Weise schmerzte das noch mehr. Verzweifelt schneuzte sie sich in das Taschentuch.
Jared hielt ihr ein zweites hin. Sie murmelte einen Dank und tupfte sich die Augen ab.
Jetzt, da sie wusste, was Susan sich für ihre Tochter gewünscht hatte, brachte sie es nicht fertig, das Testament einfach anzufechten. Sie selbst würde ja das Gleiche wollen. Schließlich war es diese Sehnsucht nach einem Zuhause unter lieben Menschen gewesen, die Jared mit seiner großen, ewig zusammengluckenden Familie so attraktiv erscheinen ließ.
„Kate.“ Jared legte ihr die Hand auf die Schulter.
Ohne sich ihm zu entwinden trocknete sie ihre Tränen. Er und Cassidy waren jetzt die einzigen Menschen auf der Welt, die ihr noch geblieben waren. „Ich bin noch nicht fertig“, murmelte sie.
Verzeih mir, wenn ich etwas geschrieben habe, das Dich schmerzt. Ich versuche nur, das Beste für meine Tochter zu tun. Ich hab Dich lieb, Katie. Immer schon, und das wird sich nie ändern.
Pass auf mein Baby auf und liebe es so, wie wir immer geliebt werden wollten!
Ich umarme Dich.
In Liebe,
Susan
Mit dem Zeigefinger fuhr Kate langsam die Unterschrift nach. Es war das einzige handgeschriebene Wort auf den ganzen Seiten. Ein paar Tränen tropften auf das feine, weiße Papier, und sie wischte sie vorsichtig ab. Sie wollte den Brief sorgfältig aufbewahren. Für sich – und für Cassidy.
Sie holte tief Luft und versuchte, ihre Fassung wiederzuerlangen. Entschlossen straffte sie die Schultern und erwiderte Jareds fragenden Blick. „Sie möchten, dass du Cassidy bekommst.“
„Ich weiß.“
„Das ist … in Ordnung.“ Irgendwann, irgendwie würde sie sich damit aussöhnen.
„Tut mir leid.“
„Ist ja nicht deine Schuld.“ Kate gab sich einen Ruck. „Ich würde jetzt gern in die Klinik fahren.“
Jared nickte.
Die Kinderstation des Krankenhauses hing voller bunter Papiervögel, Blumen und Regenbögen. Aber die ganze fröhliche Dekoration konnte nichts gegen Jareds wachsende Unruhe ausrichten. Gerade noch hatte er versucht, sich auf eine Scheidung einzustellen, die er nie gewollt hatte, und jetzt war er plötzlich im Begriff, Vormund zu werden. Vater. Daddy.
Er dachte an Bradys Brief.
Du wolltest doch immer Kinder.
Das stimmte. Nach der Hochzeit waren er und Kate sich einig gewesen, dass sie unbedingt Kinder wollten, aber später hatten sie beschlossen, die Familiengründung noch ein paar Jahre aufzuschieben, um sich zunächst auf ihre beruflichen Karrieren zu konzentrieren. Im Geist sah er immer noch manchmal die perfekte Familie vor sich: zwei Kinder, ein schmucker Doppelkinderwagen und ein vollgepackter Familien-Van. Als Kates PR-Firma dann jedoch unerwartet groß ins Geschäft kam, wollte sie dort nicht kürzer treten. Und später ergab sich für ihn die Stelle in Seattle.
Er hatte sich vorgestellt, mit seinem beruflichen Aufstieg und dem Umzug könnten sie darangehen, seine Traumfamilie zu gründen. Stattdessen hatte der Schritt seine Ehe ruiniert.
Scheidung.
Jared hasste dieses Wort. Scheidung bedeutete, dass man gescheitert war. Es war eine Art Niederlage. Und wenn ihm eines im Leben zuwider war, dann verlieren.
Ihm war klar, dass sie beide Fehler gemacht hatten, nur hielt Kate leider den Schaden für irreparabel, während er glaubte, dass sie die Probleme überwinden konnten. Kate fehlte ihm. Wenn sie nur bereit wäre, es noch einmal zu versuchen …
Jetzt wartete er am Eingang zur Kinderstation auf sie. Er wäre lieber mit ihr zusammen hergefahren, aber sie hatte ein paar Minuten allein sein wollen. Es war ihm unwohl bei dem Gedanken, dass sie in ihrem Zustand allein Auto fuhr, aber er verstand ihr Bedürfnis.
Mit klappernden Absätzen kam sie ihm kurz darauf über den Fliesenboden entgegen. „Entschuldige, ich habe nicht gleich einen Parkplatz gefunden“, erklärte sie.
„Ja, ich hatte auch Schwierigkeiten.“
Ihre geröteten Augen verrieten, dass sie wieder geweint hatte. Als wollte sie davon ablenken, schob sie mit einer energischen Geste die Tasche über der Schulter zurecht. „Ich hoffe, Cassidy geht es gut.“
Ihre Nervosität erinnerte Jared daran, wie er Kate das erste Mal mit nach Hause zu seiner Familie genommen hatte. Sie hatte Blumen und eine Flasche Wein mitgebracht und war nett, lustig und die ideale künftige Schwiegertochter gewesen. Später hatte er herausgefunden, dass sie eigens dafür neue Kleider gekauft hatte und morgens noch beim Friseur gewesen war. Ihre Bemühungen hatten ihn damals
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