Zwergenblut: Roman
Palast bildete. Der große Platz davor war überfüllt. Nicht nur Zwerge, sondern auch Menschen, Elben und sogar einige Goblins hatten sich dort versammelt, um ihrer Ansprache zu lauschen.
»Keines unserer Völker hätte die Bedrohung allein abwenden können, eines nach dem anderen wären sie von der Finsternis verschlungen worden. Nur gemeinsam ist es uns gelungen, der Gefahr zu trotzen. Daran sollten wir uns stets erinnern und niemals wieder zulassen, dass Streit und Missgunst unsere Völker einander entfremden.«
Beifall und Hochrufe erklangen aus der Menge.
»Aber dieser Tag soll nicht uns allein gehören. Viele haben mit ihrem Blut und ihrem Leben dafür bezahlt, dass wir jetzt hier stehen. Auch ihrer sollten wir gedenken.«
Tharlia senkte für einige Sekunden den Kopf, und alle in der Menge taten es ihr gleich.
»Für Jahrhunderte galt Elan-Dhor als die Letzte der großen Zwergenminen, der letzte Hort unseres einst so bedeutenden Volkes«, fuhr sie schließlich fort. »Nun jedoch steht uns außerdem der Weg nach Zarkhadul wieder offen. Viele von uns waren gezwungen, vor der Gefahr dorthin zu fliehen. Manche von ihnen wünschen, in ihre Heimat zurückzukehren, andere möchten in Zarkhadul bleiben, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Gleiches gilt für viele der hier versammelten Zwerge. Deshalb wird es von nun an wieder zwei von unserem Volk bewohnte Minen geben, die auf ewig in Freundschaft und hoffentlich bald neu erblühendem Wohlstand miteinander und auch mit allen anderen Bewohnern der Tiefenwelt und der Oberfläche verbunden sein sollen.«
Lang anhaltender Beifall folgte ihren Worten. Tharlia wartete einige Sekunden, dann trat sie ein paar Schritte zurück und schüttelte demonstrativ General Morakow, Malcorion, den beiden Elben und auch Quarrolax die Hand. Schließlich blieb sie vor Ailin und Warlon stehen.
Der Kampfführer hatte ihre Worte nur wie aus weiter
Ferne gehört und ihnen kaum gelauscht. Alles in ihm fühlte sich nach Barloks Tod noch immer wie betäubt an, alles erschien ihm trostlos und leer.
»Eine Priesterin und ein Krieger«, richtete Tharlia das Wort an sie. »Ohne Euch würden wir diesen Tag heute vermutlich nicht erleben. Ihr seid gemeinsam durch viele Gefahren gegangen, und es ist unverkennbar, dass es ein Band zwischen euch gibt, das stärker ist als nur Freundschaft.«
Ihre Worte zerrissen den Schleier der Betäubung, der sich um Warlons Geist gelegt hatte. Überrascht blickte er sie an und fragte sich, worauf sie hinauswollte.
»Dennoch ist es einer Priesterin nach den Regeln der Schwesternschaft vom Dunkelturm Elan-Dhors untersagt, eine Verbindung mit einem Mann einzugehen«, sprach Tharlia weiter. »Aber wenn Zarkhadul nun neu besiedelt wird, soll zu Ehren von Li’thil dort eine neue Schwesternschaft gegründet werden. Und diese benötigt eine Hohepriesterin, die dem Orden vorsteht und seine Regeln festlegt. Regeln, die möglicherweise nicht ganz so starr sind wie die des Dunkelturms. In Absprache mit Hohepriesterin Breesa habe ich beschlossen, Euch dieses Amt zu übertragen, Hohepriesterin Ailin.«
Wilde Freude durchfuhr Warlon, als er vollends begriff, was ihre Worte zu bedeuten hatten. Instinktiv griff er nach Ailins Hand.
Der Schmerz tief in ihm wurde auch dadurch nicht getilgt, aber die Dunkelheit um ihn löste sich auf, als er erkannte, dass ein neuer Weg voller Hoffnung vor ihm lag.
1. Auflage
Originalausgabe Juli 2010 bei Blanvalet,
einem Unternehmen der Verlagsgruppe
Random House GmbH, München
Copyright © 2010 by Frank Rehfeld
Redaktion: Simone Heller
HK · Herstellung: sam
eISBN : 978-3-641-03829-8
www.blanvalet.de
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