Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)
oder bleibst, küss ihn jetzt. Wir sollten lieber anfangen, bevor noch jemand durchdreht.« Er schnaubte. »Ich bin selbst schon halb dort.«
Custo ging in die kalte, öde Schmiede. Auf dem Amboss lagen ein Hammer und eine Metallblüte. Vermutlich die, die sie in dem Lagerhaus gefunden hatte. Die Hoffnung des Schattenmanns, dass sie durchhielt.
Kat-a-kat-a-kat: Siehst du ihm beim Zerstören zu? Siehst du zu, wie sein Körper zusammenbricht und aus Liebe zu dir verblutet?
Nein. Das konnte sie nicht. Aber sie ging auch nicht.
Der Schattenmann neigte sich zu ihrem Ohr. Sein Atem strich über ihre Haut und wärmte ihren Körper. »Layla, es ist vorbei. Ich bitte dich, jetzt zu gehen. Behalte die letzte Nacht in Erinnerung, nicht das hier.«
Custo hob den Hammer. Durch seine heftige Bewegung schleuderte er die schwarze Blüte auf den Boden der Höhle.
Layla schüttelte den Kopf. Sie konnte ihn nicht verlassen, konnte es jedoch auch nicht ertragen. Durchhalten, das war Kathleens Stärke. Nicht ihre. Sie war von Beginn an gebrochen. Ihr gesamtes Leben. Eine Außenseiterin. Ja, allein. Und warum? Damit sie den einzigen verraten konnte, der sie je geliebt hatte.
Und er wollte, dass sie die letzte Nacht in Erinnerung behielt?
Kat-a-kat-a-kat: Ich habe alle deine Erinnerungen hier.
»Helft mir«, sagte der Schattenmann.
Es dauerte einen Augenblick, bis sie verstand, dass er nicht zu ihr sprach. Im nächsten Moment war sie von Engeln umgeben, die sie mit Gewalt fortschaffen wollten.
»Ich mache schnell«, versprach Custo mit heiserer Stimme, die deutlich seinen Widerstand ausdrückte.
Doch Layla blickte zu dem Tor. All ihre Erinnerungen? Die Versuchung wand sich seidig um ihre Seele. Was würde sie nicht für Kathleens Erinnerungen geben …
»Das Tor hat sie in seinem Bann«, bemerkte jemand.
Die glückliche Kindheit. Ihre Familie. Ihre Schwester. Wie sie und der Schattenmann sich ineinander verliebt hatten. Die Geburt von Talia, die jetzt, ein ganzes Leben später, aufgrund einer ewigen Verbindung immer noch ihr Herz rührte.
Der Schattenmann rang ihr einen letzten Kuss ab. Selbst als er leidenschaftlich und hart seine Lippen auf ihre presste, sprach das Tor in ihrem Kopf.
Kat-a-kat-a-kat: Was denkst du, woraus er mich geschaffen hat? Jeder Schlag ist ein Teil von dir.
Und diese Blumen, damit sie durchhielt, es trotz aller Widerstände schaffte.
»Verschwinde von hier!«, brüllte der Schattenmann.
Als die Engel sich abrupt zurückzogen, als sei ihnen ein Gedanke gekommen, runzelte er verwirrt die Stirn. Sie sahen zu ihr, tauschten untereinander Blicke und betrachteten schließlich das Tor.
Layla wusste, was sie dachten.
Jene Erinnerungen waren bestimmt schön. Schöner als die meisten, die sie in ihrem Kopf hatte. Doch Kathleen hatte sie für die Chance auf ein weiteres Leben aufgegeben, und dafür kämpfte auch Layla.
Sie begegnete dem gequälten Blick des Schattenmanns. »Die Blumen, Liebes.«
Die Blumen ließen das Tor, in dem die Erinnerungen steckten, durchhalten.
Sie hatte recht. Das Tor ratterte stärker. Erde und lose Steine fielen von der dunklen Decke und rollten den schmalen Höhleneingang hinunter. Das Tor wusste, dass sie die Antwort kannte. Die Engel duckten sich vor dem Steinfall. Ein oder zwei warfen sich auf das Tor und erlagen der Versuchung, es in dem Tumult zu öffnen. Doch der blonde Engel und Custo, dessen Venen sich dunkelgrau gefärbt hatten, hielten sie zurück.
Layla trat vor das Tor. Als ein großer Felsblock, getrieben von blauschwarzer Schattenmagie, in einem Bogen durch die Luft flog und auf den Höhlenboden krachte, legte ihr jemand seinen Arm um die Mitte und riss sie zurück. Unbeeindruckt von dem Chaos um sie herum nahm sie Custo den Hammer aus der Hand. Wie immer war sie gut geschützt.
Das Werkzeug verursachte ein surrendes Vibrieren in ihrem Arm. Das war nicht irgendein alter Hammer.
Kat-a-kat-a-kat: Öffne mich! Öffne mich! ÖFFNE MICH !
Als sie auf das Tor zutrat, erschütterte ein heftiges Erdbeben die Höhle. Sie musterte die erste Blüte, holte mit aller Kraft Schwung und schlug zu.
Der Stempel neigte sich zur Seite, und die Blütenblätter klappten nach unten. Sie mochte die Blumen sehr, noch mehr als die wundervollen roten Rosen. Wenn das hier vorbei war, band sie aus ihnen einen schwarzen Strauß. Seine Hoffnung, dass sie durchhielt. Nun, hier konnte sie es beweisen.
Sie schlug erneut zu. Der Boden wankte, und eine Blume fiel auf die Erde. Eins, zwei,
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