Zwielichtlande
gewagt haben, meine Familie zu bedrohen, werde ich jeden von ihnen jagen und umbringen. Zusammen mit dem Orden bin ich jetzt stark genug, um einen breiten Angriff zu starten.« Adam beugte sich vor und zog die Augenbrauen zusammen. »Und was die liebe Ärztin angeht, so überlasse ich sie der Gnade der Geister. Ohne ihre Verbindung zu Segue ist sie für die Geister nicht mehr als ein Leckerbissen.«
»Du lässt sie also gehen«, wiederholte Custo. Gillian würde den kurzen Rest ihres Lebens vollkommen verängstigt durch die Gegend rennen. Die Geister würden sie unweigerlich fassen. »Weiß Talia das?«
»Ja. Ich kann sie nicht von allem abschirmen. Sie wollte Gillian den Geistern mit roter Seidenschleife als Geschenk überreichen. Ihre Worte.« Adam lächelte schwach. »Die bevorstehende Mutterschaft hat, sagen wir, ihr Temperament verstärkt.«
»Hört sich ganz so an.« Talia war immer so still und fleißig gewesen. Außer, wenn sie geschrien hatte, natürlich.
Adam stützte die Ellbogen auf den Tisch, seine Miene hellte sich auf. »Luca und der Orden wollten nicht hierbleiben. Deshalb habe ich sie in unserer Außenstelle untergebracht. Wenn du nichts dagegen hast, gebe ich ihm das Okay, das Loft im obersten Stockwerk zu renovieren. Talia und ich möchten nicht dort wohnen, und es könnte durchaus praktisch sein.«
Custo zuckte mit den Schultern. Wenn jemand die Erinnerung an seinen Tod aus dem Loft verbannen konnte, dann der Orden. »Das ist gut. Es wird allerhöchste Zeit, dass die Bude einen neuen Anstrich bekommt.« Und Fenster. Und Fahrstuhltüren.
»Das hättest du alles in meinen Gedanken lesen können«, sagte Adam. »Was wolltest du also mit mir besprechen?«
Custo seufzte. Die Luft war zu schwer zum Atmen, aber er zwang sie in seine Lungen und wieder heraus. »Ich werde Segue verlassen.« Dafür war es allerhöchste Zeit.
Schweigen legte sich über den Raum.
»Ich glaube, ich habe gewusst, dass das kommen würde«, antwortete Adam und wirkte erschöpft. Gealtert.
Natürlich hatte Adam es gewusst. Custo schloss sich dem Orden an. Mit seinen neuen Fähigkeiten, deren gesamte Bandbreite und Stärke er erst noch erforschen musste, brauchten sie ihn mehr als je zuvor. Außerdem musste er eine Menge lernen.
»Wirst du so unvernünftig wie die anderen?«, fragte Adam.
Custo lächelte und spielte mit. »Nein, du bekommst keinen Zugang zu ihrem … unserem … Waffenlager. Die Waffen haben übernatürliche Fähigkeiten. Wenn wir zulassen, dass die Menschheit sie benutzt, gibt das nur Ärger.«
»Du hast dem Schattenmann den Hammer gegeben«, hielt Adam dagegen.
»Und ich werde die Verantwortung dafür tragen müssen, wenn er damit was auch immer für ein Chaos anrichtet.« Aber wenn der Schattenmann das Werkzeug nutzen konnte, um Kathleen wiederzufinden, war es die Ausnahme wert. Custo musste nicht erst Adams Gedanken lesen, um zu wissen, dass er seiner Meinung war.
Adam schüttelte den Kopf. »Unvernünftig.«
Da Segue und der Orden oft zusammenarbeiten würden, ging Custo davon aus, dass er diese Klage noch häufig von Adam zu hören bekommen würde.
Als es leise an der Tür klopfte, hob Adam den Blick.
Custo drehte sich um und sah Annabella. Sie trug ihre riesige Tanztasche über der Schulter und hatte ihre dunklen Haare zu einem strengen Pferdeschwanz zurückgebunden. Ihre Augen wirkten märchenhaft und riesig.
»Die Probe beginnt in einer Stunde«, sagte sie mit einem bedauernden Zucken.
Custo wusste, dass die Geste gespielt war. Es tat ihr nicht leid. Sie wollte jetzt gehen. Ihre Augen glänzten; sie wollte tanzen.
»Kommt ihr heute Abend hierher zurück?«, fragte Adam.
Annabella warf Custo einen Blick zu. Er nahm an, das sollte bedeuten Nein. Wir suchen uns etwas in der Stadt.
Ein hübsches Hotel mit allem Luxus. Nach den letzten Tagen hatten sie sich das mehr als verdient. Anschließend musste er eine Wohnung für sie suchen. Eine komfortable, aber sichere Bleibe, nicht zu weit entfernt vom neuen Sitz des Ordens und ihrer Ballettcompagnie. Luca hatte vermutlich nicht gemeint, dass er mit einer menschlichen Frau zusammenziehen sollte, als er von einem diskreten Leben unter den Menschen gesprochen hatte. Andererseits hatte Custo sich noch nie an irgendwelche Regeln gehalten. Er würde jetzt nicht damit anfangen.
Custo erhob sich. Ihm fehlten die Worte, um all das auszudrücken, was er Adam sagen wollte. Weil der fast sein gesamtes Leben für ihn da gewesen war. Ihm immer wieder den
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