Zwienacht (German Edition)
lediglich Orte und Zeiten geändert.“
Der Schweiß brannte Richard in den Augen. Er glaubte innerlich zu verbrennen. Die Droge wirkte bereits.
Der Reisende schien das zu wissen. „Es dauert noch, Kenning“, sagte er. „Du hast noch Zeit, ein Finale zu erleben. Auch, wenn ich nun improvisieren muss. Du hättest eigentlich irgendwann dort an Marias Stelle liegen sollen.“
Der Mann schlenderte zu Maria und nahm ihr den Knebel aus dem Mund. Richard hörte, wie sie keuchend Luft einsog.
Der Reisende griff nach der Metallsäge, die auf dem Tisch lag.
„Wie gesagt“, begann der Mann. „Ich habe mir das alles effektvoller vorgestellt.“
„Helfen Sie mir!“ Marias Stimme klang wie die eines kleinen Mädchens.
Richard schwitzte stärker und zerrte hilflos an den Fesseln. Wie groß waren seine Chancen, wenn er einfach auf den Mann zustürmte?
Gleich null.
„Was haben Sie vor?“ Richards Stimme zitterte stark.
„Er schneidet mir den Kopf ab!“, kreischte Maria und wand sich in ihren Fesseln.
„Das ist korrekt“, stimmte ihr der Reisende zu. „Und daran ist ganz allein der feine Herr Autor schuld.“
Richard erhob sich halb von seinem Stuhl und spürte, wie ihm von der Bewegung wieder schwindlig wurde. Er würde es niemals bis zu dem Mann schaffen.
Der Reisende zeigte Maria die Säge. „Ohne deinen Richard würdest du weiterhin mit deinem kleinen roten Fiat durch die Gegend flitzen und den alten Leuten die Windeln wechseln. Ist dir das klar, Maria?“
Maria starrte nur die Metallsäge an.
„Es ist schon ungerecht“, fuhr der Reisende fort. „Das hat man nun davon. Vielleicht sollte ich mich nur um deinen Richard kümmern, oder? Was meinst du, Kleine?“
„Ja“, stieß Maria hervor. „Ja! Ja!“
„So viel zum Thema Liebe.“ Der Reisende schenkte Richard ein falsches Lächeln. „Sie existiert nicht wirklich.“
Maria weinte.
„Du bist ein Sadist!“, brüllte Richard, obwohl ihm die Anstrengung den Schädel zu zerplatzen drohte.
Das Lächeln auf den Lippen des Reisenden erstarb. „Ich habe einen Auftrag, der durch und durch gut und richtig ist.“
„Das ist Kacke! Sieh dir nur an, was du mit Maria machst.“
„Das ist etwas Persönliches.“ Der Reisende hob die Stimme. „Das hast allein du zu verantworten.“
„Du bist krank! Krank und verrückt! Es gibt keinen Auftrag! Du bildest dir das alles nur ein! Du bist noch viel bescheuerter, als ich dich im Roman beschrieben habe!“
„Was! Was!“, geiferte der Reisende. „Du hast doch keine Ahnung!“
„Deine Impfungen sind nur Mord! Mord! Mord!“ Richard sah Blitze vor seinen Augen zucken, so, als würde er fotografiert.
Der Reisende warf die Säge nach Richard, nahm das Stilett in die rechte Hand und stürmte nach vorn.
Die Metallsäge hatte ihn schmerzhaft am Knie getroffen, Richard sah den Mann wie ein Geschoss auf sich zufliegen und dann nur noch die Klinge.
Der Reisende stieß mit voller Wucht zu und brüllte: „Was sagst du dazu?“
Das Stilett bohrte sich in Richards rechte Schulter, glitt von einem Knochen ab und riss eine tiefe Wunde.
„Du bist vom Blitz getroffen worden! Genau im entscheidenden Moment! Hast du das vergessen! Das war ein Zeichen! Kein Zufall, sondern eine Segnung meines Handelns!“
Richard jaulte wie ein geprügelter Hund.
„Und warum habe ich diesen ach so geheimen Gang entdeckt?“ Der Reisende spuckte ihm ins Gesicht. „Damit ich mich an dir rächen kann! Das ist eine weitere Bestätigung meines heiligen Auftrags!“
Wenige Meter entfernt begann Maria hysterisch zu schreien. Ihre Stimme steigerte sich zu einem sirenenartigen Kreischen, das nicht enden wollte.
„Ich schneide ihr jetzt den Kopf ab!“, verkündete der Reisende. Blut tropfte von der Klinge in seiner Faust. „Und du wirst zusehen!“
Er stach erneut zu. Kontrollierter. Direkt neben die erste Wunde. Der Schmerz ließ Richards Verstand flackern.
An! ... Aus ... An!
Maria kreischte noch immer.
Die Stimme des Reisenden dröhnte wie Donner in Richards Ohren. „Habe ich dir eigentlich schon verraten, dass ich dir eine Überdosis verpasst habe. Heute wirst du nicht in einem Lederslip erwachen. Heute nicht! Dein Herz wird zerplatzen wie ein zu praller Ballon. Sehr bald, Autor!“
Richard kippte vom Stuhl – seine rechte Körperseite war voller Blut – und dieses Mal wurde er nicht aufgefangen. Er klatschte auf den Boden. Der Stuhl landete neben ihm auf dem Beton. Das Scheppern des Metalls vereinigte sich mit Marias
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