Zwilling verzweifelt gesucht
deine Eltern nur Zwillinge bekommen … und du keinen Zwilling hast … kannst du ja nicht das Kind von deinen Eltern sein, ist doch logisch, oder? “
„ Logisch? “ , stottere ich. „ Ich weiß nicht, aber eigentlich … “
Alisia seufzt. „ Ich wusste, dass du das nicht hören willst. Ist ja auch ein blöder Moment. Würde mir auch nicht gefallen. Ich nehme an, dass deine Mutter dich aus der Klinik geklaut hat. “
„ Wie bitte? Meine Mutter soll …? “
„ Ist doch logisch. Deine Mutter fährt voll auf Babys ab, das weißt du doch. Sie hatte damals keines, also musste sie sich eins klauen. Mütter machen so was. “
„ Ich weiß nicht … “
Ich sehe Mara vor mir. Warum Mara? Und warum grinst diese Mara, die ich vor mir sehe, so vielsagend und schüttelt den Kopf?
„ Also, weißt du … “
„ Aber wir finden deine richtige Familie “ , erklärt Alisia mit fester Stimme. „ Ich halte zu dir. Ich verspreche es. Wir kriegen raus, wer du in Wirklichkeit bist. Ich würde deine Mutter jetzt auch nicht bei der Polizei anzeigen. “
„ Du, ich …! “
Aber Alisia hat schon aufgelegt.
Warum klopft mein Herz so? Das glaube ich nun wirklich nicht, oder? Ich gehe ins Bad und betrachte mein Gesicht im Spiegel. Die Leute sagen immer, dass ich meinem Vater ähnlich sehe. Dieselben Augen, dieselben Ohren. Jule und Jana sehe ich auch ähnlich. Oder bilde ich mir das alles ein? Bilden sich die anderen Leute das alles ein? Würden andere auch Ähnlichkeiten sehen, wenn ich in Wirklichkeit ganz anders aussehen würde als meine Familie, beispielsweise wie … Mara?
Jemand poltert an die Tür. „ Hey, ich muss mal! “ Klingt nach Finn.
Ich räume das Bad. Meine Gedanken wirbeln immer noch durcheinander. Vor dem Garderobenspiegel bremse ich wieder ab. Und diesmal sehe ich es. Ich sehe es ganz genau und eindeutig. Meine Eltern sind meine Eltern. Es besteht überhaupt kein Zweifel. Alisias neue Idee ist völlig aberwitzig. Ich habe einfach keine Zwillingsschwester, und damit Schluss, aus und Punkt. Es gibt nirgendwo ein Gesetz, das besagt, dass Eltern, die drei Zwillingspaare bekommen haben, nicht zwischendurch mal ein Einzelkind bekommen können. Ich habe nur geträumt, nun bin ich aufgewacht, und das ist okay. Ich werde mich jetzt garantiert nicht auf die Suche nach irgendwelchen fremden Eltern machen. Wer weiß, was dabei herauskommt. Ich finde meine Familie nämlich völlig in Ordnung und will sie dringend behalten.
Beinahe liebevoll betrachte ich in dieser Stimmung Rasmus und Robin, die inzwischen beide in der Lage sind, auf ihren kurzen, krummen Beinen durch die Küche zu wackeln, und die beiden Mädchen, die am Tisch sitzen und mit Wachskreide einen riesigen Bogen Papier und trotzdem noch die Tischdecke vollmalen. Meine Geschwister! Sie sind etwas Besonderes, schon allein deswegen, weil es sie alle doppelt gibt …
Papa ruft mich aus dem Wohnzimmer. Er sitzt mit ausgestreckten Beinen quer auf dem Sofa. Auf dem Teppich vor dem Sofa liegt Mops in seiner selbst gewählten Einsamkeit. In der rechten Hand hält Papa sein kaputtes Handy.
„ Hab mal alle Karten und den Akku rausgenommen und wieder eingesetzt “ , erklärt er. „ Und dreimal draufgehauen. Alter Erfindertrick. Wenn was nicht funktioniert, hau dreimal drauf. Entweder das Ding funktioniert dann wieder, oder es ist endgültig kaputt und du kannst es ruhigen Gewissens wegschmeißen. “
„ Und, schmeißt du’s weg? “
Er hält mir das Gerät mit siegessicherer Miene hin. „ Es geht wieder. “
„ Und? “ Ich halte die Luft an. „ Wer hat angerufen? Als du auf dem Dach warst? “
„ Es waren die Araber! “ Papa wedelt mit seinem gebrochenen Arm und verzieht das Gesicht. „ Es hat sich vielleicht doch gelohnt, vom Dach zu fallen. “
„ Was wollen sie denn? “
„ Keine Ahnung. “ Papa seufzt. „ Hab noch keinen erreicht. Ich hoffe, sie schreiben eine Mail. Telefonieren ist gefährlich. “ Er klopft sich auf den Gips.
Ich setze mich auf den Boden und streichle Mops, der kurz den Kopf hebt und schwer seufzt, dann auf die Seite kippt und mir den Bauch hinhält. Ich kraule also dort weiter und denke an Moppel, der sich wahrscheinlich jetzt von Frau Rabusch den Bauch kraulen lässt.
„ Schenken wir Moppel jetzt ganz Frau Rabusch? “ , frage ich Papa.
Aber der fingert fröhlich an seinem wiederbelebten Handy herum und hört mir gar nicht zu.
Als Alisia eine halbe Stunde später atemlos ihr Fahrrad in unserem Vorgarten
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