Zwilling verzweifelt gesucht
Frau Rabusch lacht.
Als wir zurückkommen, klettert Papa gerade auf dem Dach herum. Ihm ist wohl eingefallen, dass er nicht nur den Wasserhahn reparieren muss, sondern auch die Dachrinne saubermachen und drei Ziegel ersetzen wollte. Mama steht im Garten und sieht ihm zu. Sie sagt nichts, wirkt aber sehr angespannt.
„ Hoffentlich hat er sein Handy aus der Hose genommen “ , murmelt sie nur, als wir vorbeikommen. „ Wenn es jetzt klingelt, fällt er vor Schreck vom Dach. “
„ Wegen der Scheichs? “
Sie zuckt mit den Achseln und nickt gleichzeitig.
Ich vertraue jetzt einfach mal darauf, dass mein Vater nicht vom Dach fallen wird, und stürme mit Alisia im Schlepptau das Zimmer meiner beiden älteren Brüder.
Wunnibald und Edelrich Meier! Es wäre doch gelacht, wenn wir diese beiden oder einen ihrer Brüder nicht im Internet finden würden.
Die Suchmaschine meiner Brüder ist natürlich keine richtige Maschine und sie ist auch nicht ganz einzigartig. Sie haben nur ein paar Computerprogramme aneinandergehängt, sodass sie nur an einer Stelle den Namen des Gesuchten eingeben müssen. Vom Nachnamen der Wolfsbrüder sind sie natürlich nicht begeistert. Aber als wir ihnen die ausgefallenen Vornamen liefern, steigt ihre Stimmung wieder.
„ Die finden wir “ , sagt Finn zuversichtlich und tippt schon wie ein Wilder auf der Tastatur herum. „ Da sind schon welche! “
„ Und was machen wir, wenn wir sie gefunden haben? “ , möchte Fabian wissen.
Alisia und ich sehen einander an. So weit sind wir mit unserer Planung noch nicht.
„ Wir fragen sie, ob sie nicht mal ihre Schwester besuchen wollen “ , erklärt Alisia schließlich.
„ Wollen sie nicht. “ Fabian schüttelt den Kopf. „ Sonst würden sie es tun. “
„ Vielleicht wissen sie, wo Frau Rabuschs Sohn ist “ , schlage ich vor.
„ Eigentlich geht uns das alles ja gar nichts an “ , erklärt Alisia. Ihre Augen leuchten. „ Nun gib schon die Namen ein, los! “
In diesem Moment klingelt irgendwo über mir ein Handy. Im nächsten Augenblick fällt mein Vater am Fenster vorbei.
Papa hat sich glücklicherweise nur den Arm gebrochen. Dass sein Handy bei seinem Sturz kaputtgegangen ist, findet er viel schlimmer. Er ist überzeugt davon, dass die Araber angerufen haben und dass er damit die einmalige Chance auf Ruhm und Reichtum verpasst hat.
Einen Tag muss er im Krankenhaus bleiben, dann holen Mama und ich ihn ab. Finn und Fabian passen zu Hause auf die Kleinen auf. Moppel ist wieder bei Frau Rabusch. Vier kleine Kinder und zwei streitende Hunde sind sogar für Zwillinge zu viel, meint Mama.
Während meine Eltern noch irgendwelche Formalitäten erledigen, warte ich in der Cafeteria. Die Cafeteria ist überhaupt das Beste am Krankenhaus. Hier gibt es Kuchen und die Leute dürfen auch mit fettigen Haaren und im Bademantel herkommen. Ich habe bloß Angst, dass mir der nette Pfleger aus der Wöchnerinnenstation begegnet und nach meiner geraubten Zwillingsschwester fragt. Also setze ich mich ein bisschen versteckt hinter eine Säule und behalte die Glastür im Auge.
Nach wenigen Minuten taucht ein dunkelhaariges Mäd chen auf. Sie hält einen kleinen blonden Jungen an der Hand und geht mit ihm zur Theke, redet auf ihn ein. Der Junge zeigt auf ein Kuchenstück. Das Mädchen stellt verschiedenes auf ihr orangefarbenes Tablett. Erst als sie sich der Kasse zuwendet, bin ich mir ganz sicher. Mit der will ich natürlich nichts zu tun haben.
Warum bloß hebe ich trotzdem die Hand und winke Mara zu? Nur, weil man sich in einer Krankenhaus-Cafeteria, umgeben von leidenden Menschen im Bademantel, ganz schön einsam fühlen kann?
Mara stutzt. Sie sieht mich rätselnd an. Dann lächelt sie, und in diesem Lächeln steckt so viel Erleichterung, als habe sie sich seit unserer Begegnung ununterbrochen für ihr Täuschungsmanöver geschämt. Sie trägt das Tablett zu mir herüber. Der Junge folgt ihr auf den Fersen.
„ Darf ich denn? “
Ich nicke. Sie stellt alles ab. Der Junge zieht sich einen Stuhl heran und klettert drauf.
„ Das ist Stian. Mein anderer Bruder liegt im dritten Stock. Blinddarm. “
Ich nicke.
Stian schnappt sich sein Kuchenstück. Mara stellt das zweite Stück in die Mitte.
„ Kannst die Hälfte haben “ , bietet sie an und teilt das Stück mit der Gabel.
Ich schüttle nur knapp den Kopf.
„ Hast du denn deine Schwester jetzt gefunden? “
Mara sticht eine Kuchenecke ab, schiebt den Teller dann einen weiteren Zentimeter in
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