Zwillingsblut (German Edition)
ließ sich zurücksinken. Die Luft im Sarginneren war zu verbraucht, sie bekam kaum noch genug Sauerstoff in ihren Körper obwohl ihr Herz wie rasend schlug. Sofia schloss die Augen. Das Blut hinter ihren Lidern klopfte regelmäßig und rothell. Der Rhythmus verlockte sie dazu aufzugeben.
Entschlossen drückte sie abermals mit ihrem ganzen Körper nach oben, benutzte ihren Rücken als Werkzeug und ignorierte die Schmerzen in ihren zitternden Armen.
Als sich der Sargdeckel mit einem steinernen Knirschen ein Stückchen hob und frische, kühle Luft in ihr Gefängnis strömte, mobilisierte Sofia unbekannte Ressourcen.
Unter Aufbietung all ihrer Kräfte gelang es ihr, den Deckel soweit zu verrutschen, dass es zum Hinausklettern reichen würde. Schwer atmend ließ sie sich zurück gleiten. Ihr Körper und ihre Muskeln zitterten unkontrollierbar und sie benötigte eine lange Zeit, bis sie in der Lage war, sich aufzusetzen.
Was sie in der Finsternis sehen konnte, zeigte ihr, dass sich ihre Situation nur geringfügig gebessert hatte. Erst als ihre Zähne zu klappern begannen, bemerkte sie, dass die unerträgliche Hitze und Beklemmung der eisigen Kälte gewichen war.
Das verdammte Schwein hatte sie ausgezogen! Hektisch kletterte sie aus ihrem engen, steinernen Gefängnis, glitt mehr, als zu steigen. Als sie mit beiden Füßen auf festem Boden stand, sackten ihre Beine weg. Mit einem erschrockenen Schrei fiel Sofia der Länge nach auf den kalten Steinboden.
Sie krümmte ihre Finger zu Krallen, als ihr Körper krampfte und versuchte die Flut der plötzlichen Erinnerungen niederzukämpfen, die drohte sie zu überrollen: Der abendliche Weg nach Hause, ihre unerklärliche Angst wie eine belastende Vorahnung.
Dann der Mann, der sie unter einen dunklen Torbogen zog. Der finstere Unbekannte den es nur in der Fantasie gab. An dessen Gesicht und Gestalt sie sich nur unbestimmt und verschwommen erinnerte und den sie niemals wieder erkennen würde. Der Fremde, der sie sanft verführte. Der unbekannte, unerkannte Mann, von dem fast jede Frau mindestens einmal in ihrem Leben träumte. Von seinen Berührungen, seiner Liebe und einer sexueller Erfüllung die alle Grenzen sprengte und süchtig nach mehr machte.
Die Träume hatte Sofia geliebt und genossen. – Selbst im Wachzustand.
Die Realität sah anders aus. Die junge Frau schüttelte verzweifelt den Kopf in der Leugnung der Vergangenheit und versuchte sich hinzusetzen. Sie kam sich schmutzig vor. Selbst die Berührungen ihres eigenen Haares auf ihrer bloßen Haut, auf ihren Schultern und ihrem Busen war befremdlich und erschreckend intensiv.
Sie erinnerte sich an den Sex, ihre Hemmungslosigkeit. Die Leidenschaft, mit dem sie ihn willkommen geheißen hatte. Es war gut gewesen, unglaublich toll, einzigartig und sinnlich.
Sofia fiel zurück, als ihr Körper sich verkrampfte und rollte auf die Seite. Jeder Muskel ihres Körpers kontraktierte und die plötzlichen Schmerzen ließen sie bittere Galle spuken. Sogar in der Dunkelheit sah sie, dass die Flüssigkeit rot war, blutrot.
Die Gruft begann sich vor ihren Augen zu drehen. Wieder glaubte sie den metallischen Blutgeschmack auf ihren Lippen zu fühlen und den beinahe hypnotischen Befehl des Fremden sein Blut zu trinken.
Nach einem sicheren Halt tastend, berührte ihre Hand kalten Stein. Verwirrt starrte die junge Frau das Kreuz in der Mitte des Raumes an. Unwillkürlich und wie in Trance erinnerte sie sich an mehr und flüsterte: »Das ist nicht möglich!« Sofia griff sich an den Hals.
Dort fühlte sie die Realität. Kein Traum! Kein Mann aus einer gelungenen Fantasie. Für Sekunden wollte sie leugnen, was sie an sich selber fühlte und welche Idee ihr gekommen waren. Doch die gesamte Szenerie und ihr Erwachen sprachen für ihre Gedanken.
Unbändige Wut stieg in ihr auf. Sie war dem Mann nicht freiwillig gefolgt, hatte sich nicht wirklich verführen lassen und auch ihre Hingabe kaum nicht von ungefähr. Der Biss eines Vampirs erklärte ihre Willigkeit und seine Sinnlichkeit ebenso wie ihre Schmerzen und das Verlustgefühl.
Vampire gibt es nicht!
Für einen Moment begehrte ihr Verstand auf, redete von Normalität und davon was Mythos und was Realität war. Doch wieder verkrampfte sich ihr Körper. Dieses Mal erkannte Sofia die Schmerzen als Hunger.
Ihre Augen weiteten sich und nahmen mehr von ihrer Umgebung wahr. Wenn sie vorher gedacht hatte, sie hätte Angst, dann hatte sie jetzt absolute Panik.
Wo ist er? Warum verführt
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