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Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Titel: Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Janssen
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1. KAPITEL
    S ylvie, die Zofe der Herzogin Camille, drapierte ein blaues Gewand um die Schultern ihrer Herrin. Camille musste sich beherrschen, den Stoff nicht schamhaft über ihre nackten Brüste zu ziehen. Normalerweise machte es ihr nichts aus, von ihren Dienern angekleidet und ausgezogen zu werden – immerhin war sie als Tochter eines Herzogs von Geburt an daran gewöhnt –, aber heute verzog sie bei jeder Berührung das Gesicht. Sylvies Wut verschlimmerte noch Camilles Anspannung, obwohl sich der Ärger der Zofe nur in kleinen Gesten offenbarte, etwa wenn sie Camilles lange dunkle Haare ein wenig zu ruckartig unter der Robe hervorzog. Bis jetzt hatte Sylvie den Fleck von Camilles Blut noch nicht aus ihrem eigenen schlichten blauen Kleid herausgewaschen. Und während die Zofe mit nur mühsam beherrschten Bewegungen ihre Arbeit tat, lösten sich immer mehr Strähnen aus ihrem langen blonden Zopf, sodass man der sonst so ordentlichen Sylvie auf den ersten Blick ihren Gemütszustand ansah. Obwohl Camille wusste, dass Sylvie nicht auf sie, sondern auf Herzog Michel wütend war, gelang es ihr angesichts ihrer zornigen Zofe nicht, sich zu entspannen.
    In einer anderen Ecke des Zimmers wusch sich die Hebamme in einer mit daumennagelgroßen Blüten bemalten Porzellanschüssel die Hände. Ihre Bewegungen gerieten dabei so heftig, dass das Wasser und der Schaum der teuren, aus dem Ausland importierten Jasminseife auf den dicken weichen Teppich spritzten. Die kurz geschnittenen Haare der Hebamme glänzten im Schein eines Dutzends brennender Kerzen. Die Herzogin war umgeben von Luxus. Sie besaß alles, was sie sich nur wünschen konnte, nur eines nicht: Sicherheit.
    Camille wagte es nicht, auch nur für eine Sekunde ihre Selbstbeherrschung aufzugeben. So lange hatte sie nun schon ihren Zorn unterdrückt, dass es ihr schien, als würde sie in ihrem Bauch einen Haufen Geröll mit sich herumschleppen. Sie fühlte sich krank und bis ins Mark erschöpft. Alles hätte sie darum gegeben, einige Minuten allein zu sein, um sich wieder zu sammeln. Aber wenn sie die Dienerschaft fortschickte, nachdem sie die Untersuchung über sich hatte ergehen lassen, würde sie damit Schwäche zeigen. Schon einmal hatte sie an diesem Tag die Beherrschung verloren und viel zu deutlich ihre Gefühle gezeigt, und zwar als der Herzog ihr erzählt hatte, dass Graf Alphonse tot war. Vor lauter Entsetzen hätte sie beinahe verraten, in welcher Mission der Graf unterwegs gewesen war. Diese Mission hatte ihm den Tod gebracht. Es war äußerst wichtig, dass sie Haltung bewahrte, denn nur so konnte sie ihre Geheimnisse schützen.
    “Ich werde Euch ein Glas Wein holen, Madame”, sagte Sylvie. “Und Eis zum Kühlen Eurer Prellungen.”
    “Setz dich”, befahl Camille. Sie ertrug es nicht, noch länger mit anzusehen, wie Sylvie mit ihrem ewigen Hin und Her Trampelpfade in den dicken goldfarbenen Teppich lief. Camille schaute hinüber zur Waschschüssel und vermied es dabei sorgfältig, ihr Spiegelbild in dem hohen ovalen Spiegel zu betrachten, dessen breiten Rahmen ein Muster aus vergoldeten Brombeerranken zierte. “Madame Annette?”
    Die Hebamme war höchstens dreißig Jahre alt und arbeitete normalerweise im Bordell unten in der Stadt, wo sie sich um kranke Dirnen kümmerte und ihren Kindern auf die Welt half. Annette war eine winzige Frau mit raspelkurzem Haar und einer Narbe auf dem Kinn. Bei ihren heimlichen Besuchen im Palast trug sie stets ein weites dunkles Kleid. Sie war wie ein Sperling, der im goldenen Käfig ein und aus flog und den niemand außer Camille und Sylvie bemerkte. Noch nie war Camille ihr irgendwo anders begegnet. Sie wusste nicht einmal, wo Madame Annette lebte; wenn sie gebraucht wurde, ging Sylvie sie holen. Und doch hätte Camille der Hebamme ihr Leben und ihre Gesundheit anvertraut – ihr blieb nichts anderes übrig.
    “Ihr wart nicht schwanger, Madame la Duchesse.”
    Camille erlaubte sich nicht, eine Reaktion auf diese Eröffnung zu zeigen. Dennoch erhob Sylvie sich von ihrem Stuhl und trat neben ihre Herrin.
    “Bin ich verletzt?”
    Madame Annette nahm ein Handtuch und rieb sich die Hände trocken. “Ihr habt eine Prellung”, erklärte sie. Als hätte Camille die gerötete Schwellung vergessen können, die sich über ihr Kinn und ihren Wangenknochen erstreckte. Ihre Haut war aufgeplatzt, wo der Herzog sie mit den schweren Ringen an seiner Hand getroffen hatte. Ihre linke Schulter schmerzte, weil er sie gegen die

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