Zwischen Leidenschaft und Liebe
Mutter war außer sich vor Glück über die Eröffnung ihrer Tochter, daß sie Harrys Heiratsantrag angenommen habe, und über den bevorstehenden Aufenthalt in Bramley, wo sie die Herzogin kennenlernen sollte. Claire wollte tagsüber jede Minute mit Harry verbringen, aber Arva hatte andere Pläne mit ihrer Tochter. »Wenn du erst einmal verheiratet bist, verbringst du mehr als genug Zeit mit ihm. Glaube mir - du wirst von einem Mann, sobald er dein Gatte ist, mehr sehen, als dir lieb ist«, stellte ihre Mutter zum wiederholten Male fest.
Claire ließ sich von dem Zynismus ihrer Mutter jedoch nicht irritieren, sondern sah Harry, sooft es ihr möglich war - allerdings nie allein. Vier von Harrys Freunden begleiteten sie, als Claire sich ihren Verlobungsring aussuchte - einen großen blauen Diamanten, der von Smaragden umgeben war -, und sie wußte, daß Harry ihr schrecklich fehlen würde, als sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester den Kanal überquerte, um sich von Mr. Worth mit einer grandiosen Garderobe ausstatten zu lassen.
Claire kehrte von ihrer ersten Anprobe in Worths Pariser Modesalon zurück und blickte sich in der Hotelsuite um. Es war nicht das Ritz; aber ihre Mutter hatte gesagt, daß hier die wirklich feinen Leute absteigen würden. Doch der Teppich war abgetreten, das Polster eines Sessels zerschlissen, und von der Decke hing eine Spinnwebe. Claire wußte, daß sie notgedrungen in solchen Hotels wohnen mußten und es für ihre Mutter nicht minder notwendig war, an ihre kleine Lüge, daß dies tatsächlich das feinste Hotel am Ort sei, zu glauben.
»Ich empfehle mich, meine Liebe«, sagte ihr Vater George zu seiner plumpen Frau.
Claire wußte, wohin ihr Vater gehen würde, denn sie hatte ihn dabei beobachtet, wie er heimlich eine Tausendfrancnote aus der kleinen Schatulle nahm, die ihre Mutter verwaltete. Ihr Vater würde die Rennbahn aufsuchen und dort das Geld auf Nieten setzen, wie er es schon immer getan hatte. Stirnrunzelnd zog Claire ihre Handschuhe aus und warf sie auf die staubige Tischplatte.
Ihre Mutter sammelte sie sofort wieder auf »Du kannst nicht so achtlos mit diesen teuren Sachen umgehen. So etwas bekommst du nicht wieder, solange du nicht verheiratet bist.«
»Wenn er sie überhaupt heiratet«, bemerkte Claires vierzehnjährige Schwester Sarah Ann, besser unter dem Namen »Brat« - »Fratz« - bekannt, die sich gerade intensiv mit Claires Schmuckkästchen beschäftigte.
Müde und gereizt von der stundenlangen Anprobe, bei der sie sich, mit Stecknadeln gespickt, ständig vor dem Spiegel hatte drehen müssen, schlug Claire den Deckel ihrer Schmuckkassette zu.
Brat lachte nur. »Ich werde einen Mann heiraten, der mich auf Händen trägt. Er wird alles tun, worum ich ihn bitte. Und er wird sehr, sehr reich sein. Ich heirate keinen armen Mann, selbst wenn er hübsche Beine hat.«
»Du wirst den Mann heiraten, den ich dir vorschlage«, sagte Arva, während sie ihre jüngere Tochter beim Ohr nahm und aus dem Zimmer bugsierte. Claire zuckte nur mit den Achseln, als sie die beiden aus dem Raum gehen sah; denn sie wußte, daß ihre Mutter niemals die von ihr so vergötterte jüngere Tochter wirklich bestrafen würde, egal, was diese auch anstellte. Binnen weniger Minuten würde das schlaue Kind ihre Mutter dazu bringen, sie mit Pralinen zu füttern und ihr irgendeinen bisher verbotenen Ausflug doch noch zu erlauben.
Claire trat ans Fenster und betrachtete die Bäume im kleinen Park vor dem Hotel. Die Blätter begannen sich gerade herbstlich zu färben, und sie dachte an ihr Heim in New York. Sowohl Paris als auch London unterschieden sich sehr von New York - beide waren so viel geruhsamer. Sie dachte an die neunzehn Jahre ihres Lebens, die sie in New York verbracht hatte, und an ihre Sommerferien im kühlen Maine. Sie hatte bis jetzt ihr sorgenfreies Dasein für eine Selbstverständlichkeit gehalten und gedacht, daß es sich niemals ändern würde. Sie war daran gewöhnt gewesen, ihrem Vater einen Abschiedskuß zu geben, wenn er das Haus verließ, um mit seiner Jacht in See zu stechen, einen wochenlangen Jagdurlaub anzutreten oder monatelang Grizzly-Bären und Berglöwen in der Wildnis des Westens zu jagen.
Sie hatte sich an den Ton ihrer Mutter gewöhnt, wenn sie ihren vielen, vielen Dienstboten in ihrem großen Haus in der Fifth Avenue Anweisungen gab, während sie die Räume wieder einmal für eine Party schmückte. Claire pflegte dann kurz unter der Tür stehen zu bleiben und die
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