Zwischen Leidenschaft und Liebe
unzähligen Orchideen, die von den Wänden, den Kaminsimsen und den Decken hingen, zu betrachten, ehe sie sich auf den Weg zu einer Bibliothek oder einem Museum machte.
Die meiste Zeit hatten sich ihre Eltern nicht um ihre beiden Töchter gekümmert, weil sie meinten, die beiden seien bei ihren Gouvernanten gut aufgehoben. Doch Claire und Brat hatten bald herausgefunden, wie leicht sie ihre Aufseherinnen bestechen konnten, und deshalb hatten beide größtenteils ihr eigenes Leben geführt. Brat liebte wie ihre Mutter Gesellschaften und ging ins Erdgeschoß, wenn ihre Mutter dort eine Party gab. Die Gäste machten immer ein großes Aufheben von ihr, weil sie so hübsch sei.
Claire hingegen hatte für Gesellschaften nicht viel übrig. Sie verkroch sich lieber in eine Bibliothek oder ein Museum und plauderte mit Leuten, die auf einem Wissensgebiet fachkundig waren. Ihre Mutter sah es gar nicht gern, wenn Claire einen alten Professor zum Tee mitbrachte, der irgendeinen obskuren Zweig der Geschichte lehrte. Arva machte stets herablassende Bemerkungen, wieviel Kuchen diese mageren kleinen Männer beim Tee verdrücken konnten. »Ich mag eben intelligente Leute«, hatte Claire zu ihr gesagt.
Aber Arva wie George waren viel zu beschäftigt gewesen, um sich um ihre Töchter kümmern zu können, bis ihr Buchhalter eines Tages dieses furchtbare Gespräch mit ihnen führte. Danach, so schien es Claire, hatte sich ihr Leben über Nacht verwandelt.
Nun war das Haus in der Fifth Avenue weg, das Haus in Maine, und die Jacht ihres Vaters war verkauft worden. Ihr Besitz und ihr Lebensstil hatten sich gewissermaßen in Luft aufgelöst.
Es lag nun an Claire, neue Verhältnisse zu schaffen. Wenn sie Harry heiratete und Herzogin war, würde alles wieder so sein wie früher. Ihre Eltern würden bekommen, was sie sich am sehnlichsten wünschten, und ihre kleine Schwester würde die Chance erhalten, sich einen reichen Mann zu angeln, der sie auf Händen trug.
Während Claire aus dem Fenster schaute, lächelte sie. Für sie war das alles schrecklich gewesen; aber Harry hatte ihr die Sache wesentlich erleichtert. Das Sprichwort, daß man sich ebenso leicht in einen armen wie in einen reichen Mann verlieben konnte, hatte sich bewahrheitet. Es war gewiß nicht schwer für sie gewesen, sich in einen Herzog zu verlieben.
An ihrem dritten Tag in Paris trafen die Bücher ein, die Claire noch in London bestellt hatte. Sie las zwischen den Anproben und hörte den dauernden Ermahnungen und Fragen ihrer Mutter nur noch mit halbem Ohr zu. »Werden die Leute einen Knicks vor dir machen müssen, wenn du eine Herzogin bist? Werden sie auch vor mir einen Knicks machen müssen, weil ich die Mutter einer Herzogin bin? Wie werden die Leute mich anreden? Mit Majestät?« Claire gab es bald auf, ihr den Unterschied zwischen der Hocharistokratie und den Angehörigen der Königsfamilie zu erklären, und es tat ihr in der Seele weh, als sie ihrer Mutter eröffnen mußte, daß sie als Mutter einer Herzogin keinen Titel haben würde.
Die Bücher handelten alle von Harrys Familie, den Montgomerys. Sie las darin, wie alt diese Familie schon war und daß der schottische Zweig der Familie, der als Clan MacArran bezeichnet wurde, mindestens einmal eine Frau als Chefin gehabt hatte. Im frühen fünfzehnten Jahrhundert hatte einer von den Montgomery-Männern in den MacArran-Clan eingeheiratet, und dann hatten noch mehr Montgomerys MacArran-Frauen geehelicht und den Namen
MacArran angenommen, bis die Montgomerys innerhalb der Familie fast ein selbständiger Clan waren. Im Jahre 1671 hatte Charles der Zweite die Familie mit einem Herzogtum belehnt. In den Büchern wurde viel über die Gründe spekuliert, die den König zu diesem Schritt bewogen hatten. Einige waren der Meinung, das wäre aus Anerkennung für jahrelange treue Dienste geschehen, aber es gab auch ein Gerücht, daß der Clanchef der MacArran sich damals bereit erklärt habe, eine sehr häßliche und sehr verschlagene Frau zu heiraten, die eine Halbschwester des Königs gewesen sein soll.
Aus welchen Gründen auch immer der Clan in den Herzogstand erhoben worden sein mochte: Es wurde damals viel darüber diskutiert, was für einen Namen die Familie in Zukunft tragen solle. Sollte die Familie auch weiterhin MacArran heißen, das Herzogtum jedoch Montgomery genannt werden, oder umgekehrt? Angeblich ließ man damals eine Münze diese Frage entscheiden. Und so war Harry jetzt der Herzog von MacArran, aber sein
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