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Zwischen Mond und Versprechen

Zwischen Mond und Versprechen

Titel: Zwischen Mond und Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Delany
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Vater für mein heimliches Auswärtsübernachten zu entschuldigen. Pietr erzählte ihm vom Tod seiner Eltern, und Dad sagte, wenn er das gewusst hätte, hätte er die Dinge etwas anders gesehen. Der Tod trübe jedermanns Urteilsvermögen und Pietrs Verlust täte ihm aufrichtig leid. Eine kurze Unterhaltung (und der Umstand, dass Pietr am Samstagmorgen unentgeltlich für uns arbeitete) trugen wesentlich dazu bei, dass das Verhältnis zwischen den beiden wichtigsten Männern in meinem Leben wieder ins Lot kam.
    Unglücklicherweise musste ich das zerbrechliche Vertrauen wieder aufs Spiel setzen, um das Geheimnis, das Pietr umgab, zu entschlüsseln.
    Kurz nachdem die morgendlichen Arbeiten erledigt waren, erlaubte mir Dad, mit Pietr einen Ausflug zu machen. Ich erwähnte weder Pferde noch Quad und Dad erkundigte sich nicht nach den Einzelheiten. Er musste sowieso noch mal in die Fabrik und sich um eine Maschine kümmern. Er sagte, wir müssten am frühen Nachmittag zurück sein und sollten ihn übers Handy um Erlaubnis fragen, wenn wir unsere Pläne ändern wollten.
    Pietr schob das Quad an den Wegrand. Obwohl ich in Junction aufgewachsen war, hatte ich keine Ahnung, wo wir uns gerade befanden, ob wir überhaupt noch in Junction waren. Er machte den Motor aus und drehte sich zu mir um. Er sah mich ernst an. Seine Augen waren umwölkt, was sie stürmisch-grau aussehen ließen. » Ich hätte das niemals von dir verlangt, Jess. «
    Mein Herz hämmerte. Was verlangt? Wo waren wir und warum hatte er diesen Ort für einen Vertrauensbeweis ausgewählt? » Ich weiß. Ich verstehe. « Das war eine glatte Lüge.
    Pietr widersprach mir prompt. » Njet. Nichts weißt du « , flüsterte er. Seine sonst so klare Stimme klang stockend und hatte einen deutlichen russischen Einschlag. » Aber du wirst es verstehen. Bald. «
    » Was muss ich tun? « , fragte ich und sah um mich. Der Motor war aus. Ich hörte Wasserrauschen. Und noch etwas anderes. Es klang nicht genau wie Wind, auch nicht wie Regen… Ich zuckte zusammen, denn in der Ferne pfiff ein Zug.
    » Alexi wird gleich kommen. Zieh das an. Ich trage dich. «
    Normalerweise hätte ich ihn ausgelacht, weil er sich einbildete, er könnte mich einfach durch die Gegend schleppen. Ich warf mit Heuballen und ritt ohne Sattel. Ich war kein hilfloses Mädchen. Trotzdem, seine Stimme hatte einen Beiklang, der mir sagte, dass es ihm irgendwie gelingen würde, mich zu tragen– selbst wenn ich Steine im Bauch gehabt hätte. Er reichte mir ein Halstuch. Wahrscheinlich sah er mir meine Verwirrung an.
    » Umbinden…? «
    » Als Augenbinde « , bestätigte er.
    Also, das beruhigte mich beinahe. Ich würde jede Mutprobe lieber blind als geknebelt überstehen. Ich war eben nicht auf den Mund gefallen. Wenn ich nervös wurde, fing ich immer an zu quasseln. Mir lagen das Reden und das Schreiben, ich war ein Mädchen, das sich gut ausdrücken konnte… Oh Gott, ich bin am Ausflippen, merkte ich. Ich blinzelte ein paar Mal, mein Hirn stotterte. Atmen …
    » Wir können auch wieder gehen « , wisperte Pietr.
    Ich wusste, dass ich jetzt nicht gehen durfte, so aufrichtig er es auch meinte. Jetzt fortzugehen, würde bedeuten, dass er mir nicht trauen konnte. Dass ich keinen Mut besaß. Nicht würdig war. Mist. Mir bedeutete das nichts. Ich merkte plötzlich, dass ich nicht wusste, was es wirklich bedeuten würde, wenn ich wegginge, nur dass es das Verhältnis zwischen Pietr und mir verändern würde. Für immer.
    Ich legte die Augenbinde an und drehte mich um, damit Pietr sie festbinden konnte. Pietrs besorgtes Gesicht, war das Letzte, was ich sah. Dummes Herz. Dummes Mädchen. Ich wollte einen Witz darüber reißen, aber bevor mir etwas Passendes einfiel, hob er mich hoch und trug mich in seinen Armen, als wöge ich nichts.
    Mein Kopf lag auf seiner Brust und ich staunte, wie schnell sein Herz raste. Es kam mir beinahe unnatürlich vor, dass etwas so schnell pumpte, ohne zu kollabieren. Ein Windhauch bewegte die Haare an meinem Gesicht. Schwer wie ein Sack Mehl lag ich in seinen Armen. Und obwohl er sehr vorsichtig war, übertrugen mir die leisen Zuckungen seiner Muskeln die ganze Geschichte unseres Weges.
    Ich bemerkte– spürte – jeden Stein, über den er balancierte oder sprang. Ich wusste, wenn Brombeerzweige sich in seinen Jeans verfingen, hörte das Zischen, wenn er sich einen Weg durch die Zweige brach. Er trug mich steile Hänge empor und rasch abfallende Böschungen hinunter. Er war schnell.

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