Zwischen Mond und Versprechen
Mützchen, das neben der Rampe lag.
Pietr hob es auf. Er hatte es ebenfalls erkannt. » Ob sie einfach… «
» Ich weiß nicht. « Annabelle Lee legte sich zwar gern mit mir an, aber sie wäre nicht einfach abgehauen. Das war nicht ihr Stil.
Sarah und Amy umarmten mich, und Pietr– nun, Pietr hob den Hut an seinen Mund und seine Nase und verzog nachdenklich sein Gesicht. Aber ich hatte das eindeutige Gefühl, dass er an Annabelle Lees Hütchen schnupperte.
Durch meinen Tränenschleier und die Arme meiner Freundinnen hindurch sah ich, wie Pietrs Blick über die Menge schweifte. Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. » Folgt mir « , murmelte er.
25
I ch fasste Sarah und Amy an den Händen und folgte Pietr durch die wogende Menschenmenge, eine tollpatschige Mädchenparade, die hinter dem seltsamsten Jungen herging, den ich je kennengelernt hatte. Wir schlängelten uns durch die Massen, sahen aber kaum weiter als ein oder zwei Leute vor uns. Pietr änderte seine Richtung, sein Kopf schnellte nach links, und wir machten rasch einen Schlenker. Dann noch einen. Ein paar Meter weiter folgte die nächste abrupte Richtungsänderung. Hätte ich nicht gesehen, wie oft er sich nach uns umsah, hätte man meinen können, er versuchte uns abzuhängen.
Pietrs Verhalten erinnerte mich an Hunter, wenn er Kaninchen oder Eichhörnchen aufspürte. Aber ich stellte keine Fragen– ich konnte ihn später noch nach dem Wie fragen. Im Augenblick interessierte mich nur das Wo.
Und dann sah ich sie, verängstigt und verloren stand sie an einem Waffelstand.
» Annabelle Lee! « , schrie ich und ließ Sarahs und Amys Hände los. Ich rannte zu ihr und umarmte meine kleine Schwester, als wäre sie nicht seit Minuten, sondern seit Tagen verschwunden gewesen. » Alles in Ordnung? «
» Ach, Annabelle! « , rief da eine mir bekannte Stimme. » Gott sei Dank, da bist du ja! «
Ich ließ Annabelle Lee los und drehte mich um. Vor mir stand Wanda mit dem wippenden Pferdeschwanz. Sie sahvon Pietr zu Annabelle Lee und dann wieder zu Pietr, zu der Mütze in seiner Hand und dann wieder zu AnnabelleLee. Ihr Gesicht drückte teils Erleichterung teils Selbstgefälligkeit aus. » Ich habe mir solche Sorgen gemacht, als ich gemerkt habe, dass ich dich verloren habe « , sagte sie.
» Sie verloren? « , fragte ich. » Wie soll ich das verstehen? « Ich sah wieder Annabelle Lee an. » Sie sollte eigentlich bei mir bleiben. «
» Wanda hat mich am Riesenrad getroffen und angeboten, mir etwas zu essen zu kaufen– so schnell, dass du es gar nicht merken würdest « , rechtfertigte sich Annabelle Lee. » Aber dann haben wir uns in der Menge verloren. «
» Das machst du nie mehr, hörst du? Wenn du irgendwo hin willst oder mit jemandem mitgehst, dann sagst du mir gefälligst Bescheid. Ich bin fast verrückt geworden vor Sorge « , gestand ich.
Sarah und Amy nickten mitfühlend.
Pietr stülpte ihr die Mütze wieder über.
» Wenn Pietr nicht gewesen wäre… « begann ich, aber da legte er eine Hand auf meine Schulter.
» Ich habe mir einfach gedacht, dass sie Hunger hat « , sagte er mit einem schnellen Blick auf Wanda. Dann sah er wieder mich an. » Ich habe einen Bärenhunger. «
» Cool, dann holen wir uns jetzt etwas zu essen « , bekräftigte ich und zeigte auf die Pommesbude. » Und du « , sagte ich zu Wanda, » du solltest es eigentlich besser wissen. «
» Ich lerne, Jessie « , erwiderte sie in einem fast entschuldigenden Ton.
» Jessi- CA « , berichtigte ich sie.
Sie lächelte. » Ich lerne. «
Während sie das sagte, schaute sie mich kein einziges Mal an. Sie starrte die ganze Zeit auf Pietr, wie ein Habicht, der weit unter sich eine Maus im Visier hat.
Wir gingen weiter und waren bald aus ihrem Blickfeld entschwunden. » Was sollte denn das? « , fragte ich ihn mit gesenkter Stimme.
» Anscheinend ein blödes Missverständnis… «
Ich zwinkerte heftig mit den Augen. » Nein, ich meine etwas anderes. « Ich berührte meine Nase und zeigte auf das Hütchen von Annabelle Lee.
» Hab ich dir doch schon erklärt « , murmelte er.
» Dann erklär es eben noch mal. «
» Nicht hier « , flüsterte er. » Morgen Abend. Nur wir zwei. «
Bevor wir an diesem Abend nach Hause gingen, verabredeten Pietr und ich uns heimlich für den Samstagabend. Der Abend von Pietrs siebzehntem Geburtstag. Wir nutzten jeden unbeobachteten Moment, uns abzusprechen.
Neben den riesigen Ketchup- und Senfspendern fragte ich: » Morgen Abend?
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