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Zwischen Mond und Versprechen

Zwischen Mond und Versprechen

Titel: Zwischen Mond und Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Delany
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plötzlich in meinem Hals steckte. Bestimmt hatte Alexi von den Selbstmorden gehört, die Teenager auf Bahngleisen begangen hatten. Vielleicht stellte er sich vor, dass er mich auf diese Weise leicht loswerden konnte– ein emotional labiles Teenagermädchen (sagte man das überhaupt?).Wer würde da schon Fragen stellen.
    Meine Betreuungsakte war immerhin mit einer roten Büroklammer markiert. Maloy hatte also seine Zweifel, ob ich das Leben nach dem tragischen Tod meiner Mutter noch lange aushalten würde.
    Und wenn Pietrs Geheimnis zu gefährlich war, um es jemandem zu verraten?

26
    M ein Magen krampfte sich zusammen, entspannte sich dann wieder. Ich war mir plötzlich ganz sicher.
    Die Finger an meinen herabhängenden Händen zuckten. Ich hörte ein zischendes Geräusch, ein rhythmisches Rattern. Bleib ruhig, bleib ruhig, alles wird gut. Metall schob sich knirschend über Metall, kratzte, heulte und quietschte– und steigerte sich zu einem ohrenbetäubenden Lärm.
    Mein Kiefer schmerzte und meine Zähne bissen aufeinander, während ich mich dazu zwang, unbeweglich stehen zu bleiben. Pietr würde nicht zulassen, dass mir etwas geschah. Niemals. Es kam näher, lauter als ein Donnerkrachen. Der Zug brauste auf mich zu, ächzte, quietschte, dröhnte– am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten, aber ich musste still stehen bleiben… Atme. Atme einfach weiter … Meine Sohlen vibrierten, als der Koloss über die Gleise schoss und die Entfernung zwischen uns schrumpfte…
    » Aahh! «
    Der Aufprall warf mich zu Boden und drückte mir Luft und Sinne ab. Etwas Schweres presste mich nach unten. Schwer und heiß. Hatte der Zug mich erfasst? Verblutete ich? Verdammte Augenbinde. Aber der Aufprall war von der Seite gekommen und was immer es war, das mich niederdrückte und mir die Arme fest hielt– es atmete. Und fluchte.
    Ziemlich fantasievoll.
    Die Augenbinde wurde mir heruntergerissen. Ich schrie auf, weil sich einige Haare in dem Knoten des Tuchs verfangen hatten. Ich blinzelte in die gleißende Sonne. Auf mir lag Pietr und über ihm wölbte sich der atemberaubendste Himmel, den man sich vorstellen konnte.
    » Sasha, dieses Schwein! « , wütete er und erhob sich.
    Ich drehte mich um und sah dem Zug hinterher, der in der Ferne entschwand.
    Pietr hockte sich auf seine Fersen. » Alles in Ordnung? « Er streckte mir seine Hand hin.
    Ich ergriff sie und setzte mich auf. Ich sah ihm in die Augen. » Er war auf einem anderen Gleis. « Seine Worte waren viel klarer, als der Zustand in meinem Kopf.
    Er sah nach rechts hinüber und ich folgte seinem Blick. Dort stand Alexi, das Gesicht rot vor Zorn.
    » Da « , presste Alexi hervor, ohne mich anzusehen. Er schien jedes Wort sorgfältig abzuwägen. » Ein paar Meter davor wechselt der Zug auf das andere Gleis. «
    » Dann war ich die ganze Zeit in Sicherheit. « Ich lachte. Das Lachen klang fern. Spröde.
    » Da. « Alexi verschränkte seine Arme. » Du hättest gehen sollen. Aufgeben. Jeder mit einem Funken Verstand hätte das getan. « Er knurrte regelrecht vor Enttäuschung und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Dann sah er Pietr fest in die Augen. » Ich glaube, wir alle konnten hier etwas lernen. «
    » Da. Dass du von den Menschen zu viel verlangst « , fuhr Pietr ihn an und zog mich auf die Füße.
    Alexi schüttelte den Kopf. » Njet. Dass deine kleine Freundin mir mehr vertraut als du– mein eigener Bruder. « Er drehte sich um und stürmte davon.
    Ich war wie vor den Kopf geschlagen.
    Pietr aber– Pietr war stinksauer. Er wirbelte herum und wollte Alexi nachsetzen. » Du… «
    Ich packte ihn am Arm. Hielt ihn zurück. All sein Ärger, seine Angst– sie verschwanden aus seinen Augen, und er sah mich an, als sei er bereit für mich zu töten, genauso wie er bereit war, für mich zu sterben. Sein brennender Blick drückte unverhohlene Treue aus. » Lass « , sagte ich, » es geht schon wieder. «
    » Wirklich? «
    » Ja. « Zum Beweis machte ich einen Schritt nach vorn. Meine Knie gaben nach. Ich lachte und ließ mich wieder in seine Arme fallen.
    » Jess…? « Seine Stimme brach.
    » Ich bin nur erschrocken. « Ich sah ihn an und lächelte. » Hm. Das hast du vorhin toll gemacht, als du mich getragen hast. «
    Und bevor ich ein weiteres Wort sagen konnte, hatte er mich hochgehoben und an sich gedrückt. Ich schlang meine Arme um seinen Hals, verschränkte meine Finger ineinander und lehnte meinen Kopf an seine Brust. Ich sog seinen wilden Duft ein und

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