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Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Was mich betrifft, ich gehe nach Omaha und mache da ein Modegeschäft auf. Das ist meine Vorstellung von fair.«
    Dieses Gespräch fand in dem staubigen Hof zwischen Haus und Scheune statt, und ihre Idee von fair war das letzte Wort. Sie marschierte über den Hof, wobei sie mit ihren zierlichen Stadtschuhen kleine Staubwolken aufwirbelte, verschwand im Haus und knallte die Tür zu. Henry wandte sich mir zu. Er hatte Blut im Mundwinkel, und seine Unterlippe schwoll an. In seinem Blick lag die rohe,
unverfälschte Wut, die nur Jugendliche empfinden können. Eine Wut ohne Rücksicht auf Verluste. Er nickte mir zu. Ich erwiderte sein Nicken ebenso ernst, aber in meinem Inneren grinste der Hinterhältige.
    Jener Schlag ins Gesicht war ihr Todesurteil.
     
    Als Henry zwei Tage später im neuen Mais zu mir kam, sah ich, dass er wieder wankend geworden war. Ich war weder bestürzt noch überrascht; die Jahre zwischen Kindheit und Erwachsensein sind stürmische Jahre, und wer sie durchlebt, kreiselt wie die Wetterhähne, die manche Farmer im Mittleren Westen damals auf ihren Getreidesilos anbrachten.
    »Wir dürfen nicht«, sagte er. »Papa, sie befindet sich im Irrtum. Und wer im Irrtum stirbt, kommt in die Hölle.«
    Zum Teufel mit der Methodistenkirche und ihrem Jugendbund, dachte ich … aber der Hinterhältige lächelte nur. In den folgenden zehn Minuten theologisierten wir im grünen Mais, während die Frühsommerwolken - jene willkommenen Wolken, die wie Schoner schwimmen - langsam über uns hinwegsegelten und ihre Schatten wie Kielwasser hinter sich herzogen. Ich setzte ihm auseinander, dass wir Arlette keineswegs in die Hölle, sondern in den Himmel schicken würden. »Denn«, sagte ich, »ein Ermordeter oder eine Ermordete stirbt nicht auf Geheiß Gottes, sondern durch Menschenhand. Er … oder sie … wird aus dem Leben gerissen, bevor er … oder sie … alle Sünden wiedergutmachen kann. Also müssen alle Irrtümer vergeben werden. Wenn man die Sache so betrachtet, ist jeder Mörder eine Himmelspforte.«
    »Aber was ist mit uns, Papa? Würden wir nicht in die Hölle kommen?«
    Ich deutete auf die Felder, auf das schöne neue Wachstum. »Wie kannst du das sagen, wo du um uns herum
nichts als das Paradies siehst? Trotzdem will sie uns so gewiss daraus vertreiben, wie der Engel mit dem Flammenschwert Adam und Eva aus dem Garten Eden vertrieben hat.«
    Er starrte mich beunruhigt an. Finster. Ich bedauerte es, das Wesen meines Sohns solcherart zu verfinstern, aber irgendwie glaubte ich damals - und tue es noch heute -, dass nicht ich ihm das antat, sondern sie.
    »Und denk daran«, sagte ich. »Wenn sie nach Omaha geht, dann gräbt sie sich selbst einen noch tieferen Höllenpfuhl. Wenn sie dich mitnimmt, wirst du ein Stadtjunge …«
    »Niemals!« Er rief das so laut, dass die Krähen vom Weidezaun aufflogen, um wie verkohltes Papier durch den blauen Himmel davonzuwirbeln.
    »Du bist jung, und du wirst einer werden«, sagte ich. »Du wirst all das hier vergessen … du wirst das Stadtleben annehmen … und anfangen, deinen eigenen Höllenpfuhl zu graben.«
    Hätte er erwidert, Mörder dürften nicht darauf hoffen, wie ihre Opfer in den Himmel zu kommen, wäre ich vermutlich um eine Antwort verlegen gewesen. Aber entweder reichte sein theologisches Verständnis nicht so weit oder er wollte nicht über solche Dinge nachdenken. Gibt es die Hölle überhaupt, oder erschaffen wir sie uns auf Erden selbst? Wenn ich an die letzten acht Jahre meines Lebens zurückdenke, plädiere ich für Letzteres.
    »Wie?«, fragte er. »Wann?«
    Ich sagte es ihm.
    »Und wir können danach hier weiterleben?«
    Ich bejahte es.
    »Und es tut ihr nicht weh?«
    »Nein«, sagte ich. »Es geht ganz schnell.«
    Er wirkte zufrieden. Es hätte allerdings noch immer nicht passieren müssen, hätte Arlette sich anders verhalten.

    Wir entschieden uns für einen Donnerstagabend ungefähr in der Mitte eines Junis, der zu den schönsten gehörte, an die ich mich erinnern kann. An Sommerabenden trank Arlette gern einmal ein Glas Wein, jedoch selten mehr. Aus gutem Grund. Sie gehörte zu den Menschen, die nie zwei Gläser trinken können, ohne vier, dann sechs, dann die ganze Flasche zu leeren. Und eine zweite Flasche, wenn eine da ist. »Ich muss sehr vorsichtig sein, Wilf. Der schmeckt mir zu gut. Zum Glück habe ich einen starken Willen.«
    An jenem Abend saßen wir auf der Veranda, beobachteten den letzten Lichtschimmer über den Feldern und horchten

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