Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
ihr dir längst zeigen müssen.«
    Er horchte stirnrunzelnd auf die Veranda hinaus, weil die Frau, die ihn geboren hatte, gerade zu einer dissonanten, aber wortgetreuen Wiedergabe von »Dirty McGee« ansetzte. Henry runzelte über diese Barrelhouse-Ballade vielleicht wegen des Refrains (»She was willin’ to help him stick it in/For it was Dirty McGee again«) die Stirn, eher jedoch darüber, wie undeutlich sie die Wörter aussprach. Letztes Jahr am ersten Wochenende im September hatte Henry in einem Jugendlager der Methodisten das Gelöbnis abgelegt. Ich genoss seinen Schock weidlich. Drehen Jugendliche sich nicht wie Wetterfahnen in böigem Wind, sind sie steif wie Puritaner.
    »Sie will, dass du uns Gesellschaft leistest und ein Glas Wein trinkst.«
    »Papa, du weißt, dass ich dem Herrn versprochen habe, nie zu trinken.«
    »Das musst du mit ihr ausmachen. Sie will heute feiern. Wir verkaufen und ziehen nach Omaha.«
    »Nein!«
    »Na … wir werden sehen. Eigentlich hängt das von dir ab, mein Sohn. Komm mit auf die Veranda.«
    Seine Mutter stand schwankend auf, als sie ihn sah, umschlang ihn an den Hüften, drückte sich viel zu fest an ihn und bedeckte sein Gesicht übertrieben mit Küssen. Mit unangenehm riechenden, wie seine Grimasse zeigte. Der
Hinterhältige füllte inzwischen ihr mittlerweile leeres Weinglas.
    »Endlich sind wir alle zusammen! Meine Männer haben Vernunft angenommen!« Sie hob ihr Glas zu einem Trinkspruch, kippte sich dabei aber einen guten Schuss Wein über den Busen. Sie blinzelte mir zu und lachte. »Wenn du brav bist, Wilf, darfst du ihn später aus dem Stoff saugen.«
    Henry beobachtete sie mit verwirrtem Abscheu, als sie sich wieder in den Schaukelstuhl fallen ließ, den Rock etwas hochzog und ihn sich zwischen die Beine steckte. Sie sah seinen Blick und lachte.
    »Sei bloß nicht so zimperlich. Ich hab dich mit Shannon Cotterie gesehen. Ein kleines Flittchen, aber sie hat schönes Haar und eine nette kleine Figur.« Sie kippte den Rest ihres Weins und rülpste. »Wenn du nichts davon abkriegst, bist du ein Dummkopf. Aber sei bloß vorsichtig! Mit vierzehn ist man nicht zu jung zum Heiraten. Hier draußen in der Mitte ist man mit vierzehn noch nicht mal zu jung, um die eigene Cousine zu heiraten.« Sie lachte nochmals und hielt mir ihr Glas hin. Ich schenkte aus der zweiten Flasche nach.
    »Papa, sie hat genug«, sagte Henry so missbilligend wie ein Pastor. Über uns erschienen die ersten flimmernden Sterne über der ebenen weiten Leere, die ich mein Leben lang geliebt habe.
    »Ach, ich weiß nicht«, sagte ich. » In vino veritas, das sagt Plinius der Ältere … in einem dieser Bücher , über die deine Mutter immer spottet.«
    »Hand den ganzen Tag am Pflug, Nase die ganze Nacht in einem Buch«, sagte Arlette. »Außer wenn er was anderes in mir hat.«
    »Mama!«
    »Mama!«, äffte sie ihn nach, dann hob sie ihr Glas in Richtung Harlan Cotteries Farm, die jedoch zu weit entfernt war, als dass wir ihre Lichter hätten sehen können.
Weil der Mais jetzt hoch war, hätten wir sie nicht einmal sehen können, wenn sie eine Meile näher gewesen wäre. Wenn der Sommer in Nebraska Einzug hält, ist jedes Farmhaus ein Schiff auf einem weiten grünen Meer. »Ich trinke auf Shannon Cotterie und ihre unberührten Tittchen, und wenn mein Sohn nicht schon die Farbe ihrer Brustwarzen kennt, ist er ein Spätzünder.«
    Mein Sohn gab keine Antwort, aber was ich im Halbdunkel von seinem Gesicht ablesen konnte, ließ den Hinterhältigen frohlocken.
    Sie wandte sich Henry zu, packte ihn am Arm und verschüttete dabei etwas Wein auf sein Handgelenk. Ohne auf sein angewidertes Maunzen zu achten, starrte sie ihn mit plötzlich grimmiger Miene an und sagte: »Aber wenn du mit ihr im Mais oder hinter der Scheune liegst, pass bloß auf, dass du kein Frühzünder bist.« Sie ballte die freie Hand zur Faust, reckte den Mittelfinger vor und benutzte ihn dazu, rasch einen Kreis um ihren Schritt zu steppen: linker Oberschenkel, rechter Oberschenkel, Bauch rechts, Nabel, Bauch links, dann zum linken Oberschenkel zurück. »Du darfst alles erforschen und mit deinem Johnny Mac daran herumreiben, bis er sich gut fühlt und spuckt, aber bleib vom Mittelpunkt weg, sonst findest du dich eines Tages lebenslänglich gefangen - genau wie deine Mama und dein Daddy.«
    Er stand auf und ging, weiterhin wortlos, was ich ihm nicht verübeln konnte. Selbst für Arlette war das eine höchst ordinäre Vorstellung gewesen. Er

Weitere Kostenlose Bücher