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Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gegangen, wenn sie ihn nicht als Druckmittel gegen mich hätte einsetzen wollen.
    »Glaubst du, dass sie das ganze Stück kaufen werden?«, fragte ich. »Alle 70 Hektar?«
    »Woher soll ich das wissen?« Wieder ein kleiner Schluck. Das zweite Glas war halb leer. Hätte ich jetzt gesagt, sie habe genug, und versucht, ihr das Glas wegzunehmen, hätte sie es nicht mehr hergegeben.

    »Du weißt es bestimmt«, sagte ich. »Diese 70 Hektar sind wie St. Louis. Du hast dich sachkundig gemacht.«
    Sie sah mich mit schlauem Blick von der Seite an … dann brach sie in raues Gelächter aus. »Vielleicht hab ich’s getan.«
    »Ich finde, wir könnten uns ein Haus am Stadtrand suchen«, sagte ich. »Damit wir wenigstens Ausblick auf ein paar Felder haben.«
    »Wo du den ganzen Tag im Schaukelstuhl auf der Veranda sitzen und zur Abwechslung deine Frau die ganze Arbeit machen lassen kannst? Hier, schenk noch mal nach. Wenn wir feiern, dann richtig.«
    Ich füllte beide Gläser. In meines kam nur ein Spritzer, weil ich bislang nur einen einzigen Schluck getrunken hatte.
    »Ich könnte mir vielleicht Arbeit als Mechaniker suchen. Autos und Lastwagen und natürlich Landmaschinen. Wenn ich den alten Farmall-Traktor da in Schuss halten kann …« Ich deutete mit meinem Glas auf den dunklen Koloss neben der Scheune. »… kann ich vermutlich auch alles andere am Laufen halten.«
    »Und Henry hat dich dazu überredet.«
    »Er hat mich davon überzeugt, dass es besser ist, die Chance zu ergreifen, in der Stadt glücklich zu werden, als hier in sicherem Elend allein zu bleiben.«
    »Der Junge beweist Vernunft, und der Mann hört auf ihn! Endlich! Halleluja!« Sie leerte ihr Glas und hielt es mir hin, um sich nachschenken zu lassen. Dabei umklammerte sie meinen Arm und lehnte sich so weit herüber, dass ich in ihrem Atem vergorene Trauben riechen konnte. »Vielleicht bekommst du heute Nacht diese Sache, die du so magst, Wilf.« Sie berührte die Mitte ihrer Oberlippe mit der purpurrot gefärbten Zungenspitze. »Diese garstige Sache.«
    »Darauf freue ich mich schon«, sagte ich. Wenn es nach mir ginge, würde in dieser Nacht in dem Bett, das wir uns seit 15 Jahren teilten, etwas noch Garstigeres passieren.

    »Henry soll herkommen«, sagte sie. Inzwischen sprach sie mit schwerer Zunge. »Ich will ihm dazu gratulieren, dass ihm endlich ein Licht aufgegangen ist.« (Habe ich erwähnt, dass das Verb danken nicht zum Wortschatz meiner Frau gehörte? Möglicherweise nicht. Vielleicht ist das inzwischen auch nicht mehr nötig.) Ihre Augen glänzten, weil ihr offenbar etwas einfiel. »Wir geben ihm ein Glas Wein! Er ist alt genug!« Sie stieß mich mit dem Ellbogen an wie einer der alten Männer, die man auf den Bänken vor dem Gerichtsgebäude sitzen sieht, wo sie sich schmutzige Witze erzählen. »Wenn wir seine Zunge ein bisschen lockern, erfahren wir vielleicht sogar, was er mit Shannon Cotterie treibt … ein kleines Flittchen, aber sie hat schönes Haar, das muss man ihr lassen.«
    »Trink erst noch ein Glas Wein«, sagte der Hinterhältige.
    Sie trank sogar zwei weitere, dann war die Flasche leer. (Die erste Flasche.) Inzwischen sang sie mit ihrer besten Minstrel-Stimme »Avalon« und gab ihr bestes Minstrel-Augenrollen. Es war schmerzlich anzusehen und noch schmerzlicher anzuhören.
    Ich ging in die Küche, um eine weitere Flasche Wein zu holen, und hielt den Zeitpunkt für gekommen, Henry zu rufen. Obwohl ich mir, wie schon gesagt, keine großen Hoffnungen machte. Ich konnte es nur tun, wenn er mein williger Komplize war, und war im Grunde meines Herzens davon überzeugt, dass er vor der Tat zurückschrecken würde, wenn nicht mehr geredet, sondern gehandelt werden musste. In diesem Fall würden wir sie einfach zu Bett bringen. Am Morgen würde ich ihr sagen, dass ich das Land meines Vaters nun doch nicht verkaufen wolle.
    Henry kam herbei, und nichts auf seinem blassen, kummervollen Gesicht machte mir Hoffnung auf Erfolg. »Papa, ich glaub nicht, dass ich das kann«, flüsterte er. »Es geht um Mama .«

    »Wenn du nicht kannst, dann eben nicht«, sagte ich, und damit hatte der Hinterhältige nichts zu schaffen. Ich musste mich damit abfinden; es kommt eben, wie’s kommt. »Jedenfalls ist sie das erste Mal seit Monaten glücklich. Betrunken, aber glücklich.«
    »Nicht nur beschwipst? Sie ist betrunken ?«
    »Sei nicht überrascht; ihren Willen zu bekommen ist das Einzige, was sie jemals glücklich macht. Das hätten deine 14 Jahre mit

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