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Zwischen uns die Zeit (German Edition)

Zwischen uns die Zeit (German Edition)

Titel: Zwischen uns die Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Ireland Stone
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ganzen Leben erst auf einem einzigen Konzert war.
    Und dann entdeckt er die Weltkarte.
    Er stellt sich mit verschränkten Armen davor, als wäre sie ein Ausstellungsstück in einem Museum, und mir ist das alles so unangenehm, dass ich mich am liebsten im Bett verkriechen und mir die Decke über den Kopf ziehen würde.
    » Die hat mir mein Vater geschenkt. Ich soll darauf all die Städte und Orte markieren, die ich auf meinen Reisen gesehen habe.« Ich denke an den Abend im Coffeehouse zurück, an dem ich ihm erzählt habe, dass ich eines Tages die Welt bereisen möchte, und werfe ihm einen verstohlenen Blick zu. Was er jetzt wohl denkt? Bestimmt genau das Gleiche wie über das einzelne Konzertticket an meiner Pinnwand. Für jemanden, der nie so etwas wie Grenzen gekannt hat, müssen die vier roten Nadeln, die in der Karte stecken, einen ziemlich erbärmlichen Anblick bieten. » Wie du siehst, habe ich schon mal einen guten Anfang gemacht.«
    Statt über meinen lahmen Witz zu lachen, schüttelt Bennett den Kopf. » Wow, unglaublich.« Er tritt einen Schritt zurück, um sich die Karte noch einmal im Ganzen anzusehen. » Ich war noch an keinem einzigen der Orte, die du da markiert hast.«
    Ich lache.
    » Das meine ich ganz ernst«, sagt er.
    Ich hebe beide Hände wie zwei Waagschalen in die Höhe. » Hm, mal überlegen. Heute ist Dienstag. Soll ich in Boundary Waters Kanu fahren oder lieber eine Wildwasserfahrt auf dem Amazonas machen?« Ich lasse die Hände wieder sinken. » Ist schon okay, Bennett. Du musst nicht so tun, als würdest du es toll finden, wo ich schon ›überall‹ gewesen bin.« Ich seufze. » Als mein Vater mir die Weltkarte geschenkt hat, hat sie mich erst mal eher traurig gemacht. Das geht mir manchmal heute noch so.«
    Bennett dreht sich zu mir um und sieht mich so mitfühlend an, dass ich mir wünsche, er würde die Arme ausbreiten und mich an sich ziehen. Ich denke daran, wie stark und muskulös er aussah, als er sein T-Shirt ausgezogen hat, wie breit seine Schultern sind. » Warum macht sie dich traurig?«
    Das Gefühl, nicht sagen zu können, was ich wirklich empfinde, schnürt mir fast die Luft ab. » Hallo? Vier Nadeln«, presse ich schließlich hervor und zwinge mich zu lächeln, weil ich nicht will, dass er weiß, wie viel es mir ausmacht.
    Bennett sieht mich schweigend an, dann geht er zum Schreibtisch, wo der Plastikbehälter mit den Nadeln steht, nimmt eine heraus, kommt damit zu mir zurück und hält sie mir direkt vor die Augen. Der winzige rote Kopf erscheint auf einmal riesengroß.
    » Fünf«, sagt er.
    Ich nehme ihm die Nadel aus den Fingern, betrachte sie und beiße mir auf die Unterlippe, um die Tränen zurückzuhalten, die plötzlich hinter meinen Lidern brennen. » Ich weiß nicht einmal, wo es liegt«, sage ich schließlich mit einem verlegenen Lächeln.
    » Genau hier.« Bennetts Stimme klingt ganz warm und kein bisschen herablassend, als er auf einen kleinen, nicht beschrifteten Fleck im Golf von Thailand zeigt.
    Ich blicke auf den Punkt, der nicht viel größer ist als die Nadelspitze, und frage mich, wie etwas so unwahrscheinlich Kleines für eines der größten Abenteuer meines Lebens stehen kann. Dann sehe ich Bennett an, dessen zerzauste dunkle Haare immer noch von weißem Sand gesprenkelt sind. Er strahlt und wirkt– falls das überhaupt möglich ist– sogar noch glücklicher, als ich es bin. Er hat mich heute an seiner Gabe teilhaben lassen, aber wenn ich ihn mir jetzt so ansehe, habe ich fast das Gefühl, als hätte ich ihm auch etwas geben können.
    Mein Blick wandert von der Nadel in meiner Hand zur Karte und schließlich drücke ich, immer noch gegen die Tränen ankämpfend, mit zitternder Hand die Nadelspitze fest in die winzige Insel Ko Tao.
    ***
    Ich mache uns überbackene Käsesandwichs und wir setzen uns zum Essen ins Wohnzimmer auf die Couch. Nebenher lassen wir den Fernseher laufen, und Bennett scheint sich köstlich über die Werbespots zu amüsieren, will mir aber nicht verraten, was genau daran er so witzig findet.
    Irgendwann greife ich nach der Fernbedienung, richte sie mit dramatischer Geste auf den Fernseher und schalte ihn aus. » Ich bin jetzt bereit für die Fortsetzung.«
    Er weiß sofort, was ich meine. » Hast du für heute nicht schon genug gehört?«
    Ich schüttle den Kopf.
    » Okay.« Bennett lehnt sich zurück und legt einen Arm auf die Rückenlehne, sodass er mich ansehen kann. Um seine Mundwinkel spielt ein leises Lächeln, und ich

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