Zwischen uns die Zeit (German Edition)
unserem Haus laufen wir um die Wette.
» Alles okay?«, frage ich besorgt, als Dad fast eine ganze Minute nach mir mit hochrotem Kopf in der Einfahrt ankommt.
» Klar… alles… okay…«, stammelt er völlig außer Atem, beugt sich nach vorn und stemmt die Hände auf die Knie. » Warum… fragst… du?«
Ich schüttle grinsend den Kopf und stelle das rechte Bein vor, um meine Oberschenkelmuskulatur zu dehnen. » Aber zur Schule willst du mich hoffentlich nicht auch noch eskortieren, oder?«
» Nein, den Job lege ich vertrauensvoll in die Hände deiner Engländerin.«
Ich verkneife mir einen Kommentar über die fragwürdigen Fahrkünste meiner besten Freundin, damit er es sich am Ende nicht doch noch anders überlegt, schüttle die Beine aus und laufe dann die Stufen zur Haustür hoch.
» Hey, Annie!«, ruft er mir hinterher.
Ich bleibe stehen und drehe mich noch einmal zu ihm um.
» Wie wäre es, wenn du diesen Bennett mal zum Abendessen einlädst? Deine Mutter und ich würden ihn gern kennenlernen.«
Ich stöhne innerlich auf. Allein die Vorstellung, Bennett darum zu bitten, meinen Eltern einen Anstandsbesuch abzustatten, ist mir so peinlich, dass ich lieber sterben würde. » Er ist gerade erst neu an unsere Schule gekommen, Dad. Ich kenne ihn noch gar nicht richtig.«
» Aha.« Er schaut skeptisch. » Aber falls mich mein Eindruck nicht getäuscht hat und ihr euch näher füreinander interessiert, möchte ich, dass du ihn uns richtig vorstellst.«
***
» Guten Morgen, meine furchtlose Heldin!«, begrüßt Emma mich gut gelaunt und kneift mich in die Wange.
Ich fühle mich kein bisschen wie eine furchtlose Heldin. Ich bin nervös, weil ich nicht weiß, wie es sein wird, wenn Bennett und ich uns gleich wiedersehen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich Emma nichts von ihm erzählt habe, und bin todmüde, weil ich kaum geschlafen habe.
Sie legt den Rückwärtsgang ein und fährt so rasant aus der Einfahrt, dass Dad, der am Küchenfenster steht und uns hinterhersieht, zusammenzuckt.
» Du, Em?«, sage ich vorsichtig, als sie auf die Hauptstraße einbiegt. » Ich muss dir was erzählen, aber nur, wenn du mir versprichst, dass du nicht sauer wirst.«
» Wie soll ich dir vorher versprechen, dass ich nicht sauer werde, wenn ich noch gar nicht weiß, was du mir sagen willst, hm?« Sie sieht mich an und lächelt. » Na los. Spuck es einfach aus, dann wirst du schon sehen, wie ich reagiere.«
» Okay, also…«, beginne ich zögernd. » Ich habe dir gestern nicht alles erzählt.« Natürlich kann ich ihr nicht verraten, dass Bennett durch Zeit und Raum reisen kann, aber Emma ist nun einmal meine beste Freundin, und ich will zumindest, dass sie weiß, dass ich ihn inzwischen ein bisschen besser kennengelernt habe. » Dass ich Bennett praktisch in die Arme gelaufen bin, nachdem ich vom Büro auf die Straße geflohen bin, weißt du ja schon. Na ja, jedenfalls haben wir uns danach verabredet… und er hat mich gestern zu Hause besucht und wir haben fast den ganzen Tag miteinander verbracht.«
» Wie bitte?!« Sie dreht sich so abrupt zu mir um, dass sie das Lenkrad verreißt und beinahe ein parkendes Auto gerammt hätte. » Ihr habt den Tag miteinander verbracht?«
Wie in einem Film, der in Zeitlupe läuft, sehe ich vor meinem inneren Auge noch einmal, wie Bennett sich mit nacktem Oberkörper in das türkisblaue Wasser stürzt und mit seinen muskulösen Armen die gischtgekrönten Wellen durchpflügt. Ich muss mir ein sehnsüchtiges Lächeln verkneifen. Ja, wir haben den Tag miteinander verbracht, aber leider kann ich meiner besten Freundin nicht erzählen, wie schön dieser Tag wirklich war.
» Er wollte eigentlich nur kurz vorbeikommen, um zu sehen, wie es mir geht und ob ich den Schock einigermaßen verarbeitet habe. Und dann kamen wir ins Reden und… keine Ahnung, irgendwann war es später Nachmittag.« Meine Stimme klingt viel zu hektisch, aber Emma scheint nichts zu bemerken.
» Stimmt! Jetzt wo du es sagst, fällt mir auf, dass er gestern nicht in der Schule…«
Das kleine Video in meinem Kopf stoppt abrupt.
» Oh Gott«, unterbreche ich sie leicht panisch. » Daran habe ich ja gar nicht gedacht. Bestimmt haben die Leute aus dem Spanischkurs mitbekommen, dass wir beide nicht da waren, und sich ihren Teil gedacht. Wetten, dass unsere Gossip-Queen Courtney Breslin sich schon das Maul über uns zerreißt?«
» Lenk nicht vom Thema ab. Was Courtney Breslin denkt, ist jetzt erst mal zweitrangig.
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