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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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nie erfahren würde, regt sie unheimlich auf. Aber sie kann einfach nicht an einen Selbstmord glauben, ebensowenig wie Frau Maricek daran glaubt.
    Anna wäre zwar nicht aus moralischen oder religiösen Gründen davor zurückgeschreckt, aber der Zeitpunkt stimmt einfach nicht. Vor zwei, drei Jahren wäre solch eine Kurzschlußaktion keine Überraschung gewesen, aber heute? Undenkbar! Es lief doch alles nach ihren Wünschen. Oder hat sie es zuletzt doch noch mit der Angst zu tun bekommen? Sich wieder einmal nicht entscheiden können und sich dann endgültig entschieden? Nein. Ich darf mich von seinem törichten Geschwafel nicht anstecken lassen. Aber Unfall war es auch keiner. Der junge Maricek hat schon recht. Selbst betrunken hätten sie keine zehn Pferde hinaus auf die verhaßte Terrasse gebracht. Und warum hätte sie auch hinausgehen sollen, noch dazu mitten in der Nacht? Vielleicht weil ihr schlecht war, sie Luft schnappen wollte? Ich werde noch verrückt. – Anna ist tot. Zerschmettert im Hinterhof. Entdeckt von einem Beislwirt. Ort der Handlung: Wien, siebenter Bezirk.
    Ann-Marie muß es sich immer wieder selbst vorsagen, um es endlich zu begreifen.
    Doch wenn es kein Selbstmord war und auch kein Unfall, dann war es …
    Sie wagt dieses Wort nicht einmal in Gedanken auszusprechen. Obwohl, hat sie es nicht schon die ganze Zeit über gewußt? Vom ersten Augenblick an, noch während des Telefonates mit Frau Maricek hat sie gespürt, daß etwas nicht stimmt.

Ann-Marie war nicht allein wegen Anna nach Wien gekommen. Der verzweifelte Brief hatte sicher den Ausschlag gegeben, aber es hatte sie auch das Heimweh geplagt. Seit Jahren war sie nicht mehr zu Hause gewesen. Die Eltern wurden alt, und obwohl beide noch recht rüstig schienen, wußte man doch nicht, wie lange sie es noch machen würden. Annas Brief war ihr also sehr gelegen gekommen. Allerdings waren fünf Tage viel zu kurz.
    Schade, daß ich diesen verdammten Charterflug nehmen mußte. Immer dreht sich alles nur ums Geld. Vielleicht sollte ich einmal zwei oder drei Monate hier bleiben.
    Eine endgültige Rückkehr nach Wien konnte sie sich nicht vorstellen. Obwohl sie die Stadt heute mit anderen Augen betrachtete. Sie kam sich fast vor wie eine Touristin. Und es hatte sich auch wirklich einiges geändert. Besonders jetzt im Frühsommer zeigte sich Wien von der besten Seite.
    Ann-Marie dachte an die blühenden Bäume entlang der Ringstraße, an den Stadtpark mit seinen gepflegten Blumenbeeten, über die sie früher immer gespottet hatte, aber vor allem dachte sie an den Prater. Mit dem kleinen Fährboot war man vom dritten Bezirk aus in ein paar Minuten drüben. Die Fahrt über den Donaukanal hatte in ihrer Kindheit einen Schilling gekostet, genauso viel wie ein Eis.
    Vielleicht sollte ich Anna überreden, eine kleine Wohnung in Wien zu kaufen. Wir könnten sie billig an Studenten vermieten, die sie im Sommer nicht brauchen. Dann würden wir eben nur im Sommer, zusammen mit all den anderen Touristen, nach Wien kommen.
    Ann-Marie war begeistert von ihrer Idee und teilte sie sofort Anna mit. Doch ihre Freundin winkte ab. Sie wollte sich keine Hintertür offen lassen. Für sie sollte es kein Zurück geben. Es würde ein Abschied für immer sein.
    Im Augenblick schien es sinnlos, mit ihr darüber zu reden. Ann-Marie war überzeugt, daß sie schon nach ein paar Wochen New York ganz anders darüber denken würde.
    „Was erwartest du bloß von New York, Anna? Was willst du in einer anderen Stadt? Du lebst in einer Stadt, und die Städte unterscheiden sich kaum voneinander, das hast du vorhin selbst gesagt. Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, daß manche Menschen einfach nie zur Ruhe kommen, ich zähle mich selbst dazu. Permanent jagen wir irgendwelchen Illusionen und Abenteuern nach. Anscheinend bedürfen wir dieser Aufregungen und Abwechslungen, um das Gefühl zu haben, daß wir wirklich leben. Deshalb sind wir auch zu jedem unsinnigen Schritt und zu jeder unvernünftigen Tat bereit.“
    „Du und deine weisen Sprüche!“
    Anna wischte sich verstohlen ein paar Tränen von den Wangen.
    „Hör sofort auf zu weinen, Liebes, ich mein’ es doch nicht böse. Ich möchte dich nur vor weiteren Enttäuschungen bewahren. Ich kenne dich vielleicht zu gut. Eine Zeitlang wirst du es romantisch finden, mit mir in einem engen, zugigen Loch zu hausen und von der Hand in den Mund zu leben. Ein bißchen fotografieren, ein bißchen studieren, die meiste Zeit einfach nichts

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