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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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tun. Und ehe ein Jahr um sein wird, wirst du zu meckern anfangen, unzufrieden sein mit der Wiederholung unseres nicht gerade sehr erfolgreichen Zusammenlebens von damals. Und du wirst dich wieder anstrengen, aufbauen, erfolgreich sein, und schließlich wirst du nicht mehr wissen, warum du eigentlich nach New York gegangen bist. Dein Leben dort wird deinem Leben hier gleichen wie ein Ei dem anderen. Und warum? Weil du eben nicht anders kannst, weil du Anna bist. Es liegt an dir und nicht an den Orten, das weißt du selbst sehr genau.“
    Ann-Marie versucht, sich auf andere Gedanken zu bringen.
    „Wieso hat sich Anna von dir scheiden lassen wollen, wenn sie das Leben ohnehin nicht mehr interessiert hat?“, fragt sie mit Unschuldsmiene.
    „Was soll diese Frage? Unser Gespräch erinnert mich ohnehin schon die längste Zeit fatal an ein Verhör. Du hältst mich für ihren Mörder, sprich es doch endlich offen aus. Glaubst du, ich bin blöd? Die Art, wie du mich schon den ganzen Abend lang ansiehst, wie du deine Fragen vorsichtig formulierst. Du bist wahnsinnig, Ann-Marie! Du willst einfach nicht wahrhaben, daß sie sich umgebracht hat. Vielleicht kann ich dich sogar verstehen, trotzdem muß ich mir nicht gefallen lassen, daß du mich verdächtigst, sie ermordet zu haben. Das Leben mit Anna ist zeitweise die reinste Hölle gewesen, aber deswegen habe ich sie noch lange nicht umgebracht. Ich habe sie geliebt, Ann-Marie, versuch das doch endlich zu begreifen.“
    Sie starrt beharrlich auf seine klobigen Hände und schweigt.
    Er räuspert sich verärgert und macht eine abfällige Handbewegung.
    „Diese Scheidungsgeschichte ist ein reiner Blödsinn, das hab ich dir doch schon gesagt. Wir haben sicherlich keine mustergültige Ehe geführt, aber das ist beileibe nicht nur an mir gelegen. In jeder Ehe gibt es Krisen, oder kannst du mir vielleicht jemanden nennen, der das Wort Scheidung noch nie in den Mund genommen hat?“
    „Aber irgendetwas wird an diesem Gerücht schon dran sein. Der Gerlich hat behauptet, er hätte die Klage gleich nach ihrer Abreise einreichen sollen.“
    „Mein Gott, was weiß ich? Alles ist möglich! Wie soll ich wissen, was in ihrem armen, verwirrten Kopf vorgegangen ist? Sie hat jede Menge verrückter Ideen produziert, das kannst du mir glauben. Vielleicht hat es auch mit dir zu tun gehabt.“
    Ann-Marie kapiert diese Anspielung nicht sogleich. Bevor sie ihn aber fragen kann, was er damit andeuten will, sagt er spöttisch: „Schau mich nicht so unschuldig an mit deinen schönen Rehaugen. Du weißt genau, was ich meine.“
    Sie blickte Anna fest in die Augen, ertrug es aber nicht, ihre Freundin weinen zu sehen, und beeilte sich, ihre harten Worte abzuschwächen.
    „Verzeih mir, ich bin zu streng mit dir. Vielleicht hast du dich wirklich geändert. Sicherlich sehe ich wieder einmal alles viel zu schwarz. Du kennst mich doch, im Grunde bin ich eine alte Pessimistin, immer schon gewesen. Nimm bitte nicht alles, was ich sage, so tierisch ernst. Auch ich finde es empörend, wenn sich unser Leben nicht angenehm und schmerzfrei entwickelt. Jeder sollte doch schließlich in erster Linie das machen, was ihn freut.“
    Sie räusperte sich und fügte leise hinzu: „Und deine Bedürfnisse scheinen eben heute anderer Natur zu sein als früher.“
    Anna konnte ihr nicht verdenken, daß sie kein besonders großes Vertrauen zu ihr hatte. Die nie ganz vernarbten Wunden rissen wieder auf. Anscheinend war es ihr nicht gelungen, ihrer Freundin begreiflich zu machen, daß sie sich tatsächlich geändert hatte.
    In diesem Punkt irrte sie sich allerdings.
    Ann-Marie war inzwischen bewußt geworden, daß sie längst überwunden geglaubten Rachegelüsten nachgegeben hatte. Da es nie zu einem ehrlichen Gespräch über die Ereignisse, die damals zu ihrer Trennung geführt hatten, gekommen war, hatten sich eine Menge Aggressionen aufgestaut. In vielen langen Nächten hatte sie sich ausgemalt, wie sie ihrer Freundin ins Gesicht sagen würde, was sie von ihr hielt, daß sie eine verwöhnte höhere Tochter wäre, die immer nur an sich selbst dachte und keinen Gedanken an andere verschwendete. Bei ihrer intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Psyche fand sich kein Platz für andere. Auch ihr angeblicher Sozialtick diente im Prinzip nur der Stärkung ihres Selbstwertgefühls. Anna genoß die Macht, die sie über andere bekam, indem sie diese durch karitative Taten von sich abhängig machte. Ihr Verhalten damals war

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