Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
wiederholte er bedächtig und ließ seine Augen erneut über den Brief schweifen. " ' Bayou Boeuf, den 15. August. ' 15. August – hier ist der Poststempel. ' er, der jetzt gerade schreibt ' - Wo hat Bass letzten Sommer gearbeitet?", erkundigte er sich und wandte sich an seinen Bruder. Dieser konnte ihm keine Antwort geben aber verließ kurz das Büro, um gleich darauf mit der Nachricht zurückzukehren, "dass Bass letzten Sommer irgendwo am Bayou Boeuf gearbeitet hat."
"Er ist der Mann", rief Waddill aus und schlug mit der Hand voller Begeisterung auf den Tisch, "der uns alles über Solomon Northup sagen kann."
Man begann sofort nach Bass zu suchen, konnte ihn aber nirgendwo finden. Nach einigen Erkundigungen stellte sich heraus, dass er am Anlegeplatz am Red River war. Waddill und Northup organisierten sich ein Beförderungsmittel und brauchte nicht lange, um die paar Meilen zum Fluss zurückzulegen. Als sie ankamen war Bass gerade im Begriff für vierzehn Tage, vielleicht auch länger, zu verreisen. Nach kurzer Vorstellung erbat sich Northup die Freiheit, einige Minuten allein mit ihm zu reden. Sie gingen am Fluss entlang und unterhielten sich wie folgt:
"Mister Bass", sagte Northup, "erlauben Sie mich zu fragen, ob Sie letzten August am Bayou Boeuf gearbeitet haben?"
"Ja, Sir, da war ich letzten August", war die Antwort.
"Haben Sie dort für einen farbigen Mann einen Brief an verschiedene Gentlemen in Saratoga Springs geschrieben?"
"Entschuldigen Sie, Sir, aber das geht Sie nichts an", erwiderte Bass und schaute dem Fragesteller prüfend ins Gesicht.
"Vielleicht bin ich zu hastig, Mister Bass; ich bitte um Verzeihung; aber ich bin den ganzen Weg aus New York gekommen, um den Zweck eines Briefes zu erfüllen, den sein Schreiber am 15. August in Marksville aufgegeben hat. Gewisse Umstände haben mich annehmen lassen, dass Sie dieser Schreiber gewesen sein könnten. Ich suche Solomon Northup. Falls Sie ihn kennen bitte ich Sie um eine kurze Information darüber, wo sein Aufenthaltsort ist. Ich versichere Ihnen, dass die Quelle dieser Information nicht enthüllt werden wird, sollten Sie das nicht explizit wünschen."
Bass schaute seiner neuen Bekanntschaft geradewegs in die Augen; seine Lippen blieben fest verschlossen. Er schien darüber nachzudenken, ob dies nicht ein Versuch war, ihn in die Irre zu führen. Dann sagte er mit Bedacht –
"Ich habe nichts getan, dessen ich mich schämen müsste. Ich habe diesen Brief geschrieben. Wenn Sie gekommen sind, um Solomon Northup zu retten bin ich hocherfreut, Sie kennenzulernen."
"Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen und wo ist er?", fragte Northup.
"Das war an Weihnachten, heute vor einer Woche. Er ist Sklave bei Edwin Epps, einem Pflanzer am Bayou Boeuf in der Nähe von Holmesville. Man kennt ihn nicht als Solomon Northup; er wird Platt gerufen."
Das Geheimnis war enthüllt – das Mysterium gelöst. Durch die dicke, schwarze Wolke, unter deren dunklem und trostlosen Schatten ich zwölf Jahre gewandelt war, schien endlich der Stern, der mich zurückführen sollte in die Freiheit. Jegliches Misstrauen und Zögern war schnell vergessen und die beiden Männer unterhielten sich lang und unbeschwert über das Thema, das ihre Gedanken beherrschte. Bass brachte das Interesse zum Ausdruck, das er an meinem Schicksal zeigte – seine Absicht, im Frühjahr selbst nach Saratoga Springs zu reisen und sein Schwur, dass er mir zu meiner Freilassung verhelfen würde, wenn das in seiner Macht stünde. Bass beschrieb, wie wir uns kennengelernt hatten und hörte aufmerksam und neugierig den Geschichten über meine Familie und mein früheres Leben zu. Bevor sie sich trennten zeichnete er noch mit einem Stück roter Kreide auf einem Stück Papier eine Karte des Bayous. Sie zeigte den Ort von Epps' Plantage und die Straße, die Northup am schnellsten dorthin bringen würde.
Northup und sein junger Begleiter kehrten nach Marksville zurück und beschlossen dort rechtliche Szenarien durchzuspielen, die die Frage meines Rechts auf Freiheit untermauern würden. Ich wurde zum Ankläger gemacht, Mister Northup war mein Anwalt und Edwin Epps der Angeklagte. Heraus kam eine Klage auf Herausgabe, die an den Sheriff der Pfarrei übermittelt werden sollte mit der Anweisung, mich in Haft zu nehmen und dort bis zu einer Entscheidung des Gerichts zu belassen. Bis die Dokumente ordnungsgemäß aufgesetzt waren schlug es Mitternacht – zu
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