Zwölf tödliche Gaben 1: Ein Rebhuhn in einem Birnbaum
eine Holzkiste aus der unteren Schublade. Er klappte sie auf, und sein Grinsen wurde noch breiter. »Prächtig!« Er huschte zur Tür zurück und zeigte Billy den Inhalt.
»Ja leck mich …« Gold und Silber und Diamanten: Halsketten, Ringe und Ohrringe und ein paar Armbanduhren.
»Siehst du: Hör nur immer schön auf Onkel Twitch, dann geht’s dir gut.« Er schloss die Tür und leckte sich die Lippen, während er auf dem Flur den Schmuck noch einmal genauer begutachtete. »Das hier wird uns Dillon ’ne Weile vom Leib halten! Wie wär’s, wenn wir beide gleich von hier verschwinden, solange es so gut läuft?«
Billy blinzelte nervös. Sein Blick ging von dem funkelnden Geschmeide zu Twitchs zwei blauen Augen und seiner schiefen Nase. Dillons Anweisungen waren absolut unmissverständlich. »Er hat gesagt, wir müssen ihm das Bild bringen. Wenn nicht, bricht er uns die Beine!«
»Aber …«
» Willst du, dass er dir noch mal eine Abreibung verpasst?«
Twitch seufzte, dann klappte er den Deckel der Schatulle wieder zu. »Eher nicht …«
Billy straffte seine breiten Schultern. »Packen wir’s …«
Auf Zehenspitzen schlichen sie die Stufen zum Erdgeschoss hinunter.
Die Eingangshalle wurde von diesem gewaltigen Weihnachtsbaum beherrscht, unter dem Berge von Geschenken lagen, eingewickelt in buntes Papier mit glänzenden Bändern und Schleifen. Man kam sich vor wie in einem Harry-Potter-Film. Billy konnte froh sein, wenn er dieses Jahr von seiner Mum eine Schachtel Pralinen und ein paar Socken bekam. Und diese Typen kriegten Berge von Geschenken. War das vielleicht fair? Geschah dem reichen Sack nur recht, dass ihm sein ach so kostbares Gemälde geklaut wurde.
Billy wies Twitch an, sich hinter dem Baum zu verstecken und das Wohnzimmer im Auge zu behalten, während er sich die Zimmer im Erdgeschoss vornahm: Küche, Toilette, Ankleidezimmer, Sonnenzimmer, Wintergarten …
Das Bild war im Esszimmer. In der Mitte stand ein großer Tisch aus Teakholz mit einem Dutzend edel aussehenden Stühlen und Sideboards mit Geschirr und Tafelsilber. Eine Vitrine gegenüber der Tür beherbergte eine Sammlung von Kunstgegenständen: Porzellanterrier, Glasschwäne, Keramik-Clowns und ähnlicher Krimskrams. Einen Teil davon würde Billys Mama am Weihnachtstag unter ihrem billigen Plastikbaum finden. Grinsend griff Billy zu und begann die erlesensten Objekte in die Taschen seines Kapuzenshirts zu stopfen. Und dann war das Bild an der Reihe.
Dillon hatte ihnen eine Art übergroße Tasche dafür mitgegeben, die Billy jetzt auf dem Esstisch ausrollte. Dann richtete er die Taschenlampe auf das Gemälde. Und dann war es, als stünde die Zeit still.
Ein Birnbaum war in der Mitte des Bildes zu sehen, das etwa die Abmessungen eines Breitbildfernsehers hatte. Die Farbe der Blätter changierte von Zartgrün über Dunkelblau bis Lila, der Himmel erstrahlte im Schein der untergehenden Sonne in Zinnoberrot, Ultramarin und Gold. Und in den Zweigen schimmerte eine einzelne Birne. Es war das Schönste, was er in seinem Leben je gesehen hatte.
Er stand immer noch da und glotzte wie ein Vollidiot, als Twitch ins Zimmer geschlurft kam. »He, Fettwanst, wo bleibst du denn so lange, zum verfickten Henker noch mal? Sag mir lieber, ob diese Kerzenständer aus Gold sind, dann nehm ich sie nämlich mit.«
Langsam kehrte Billy zur Erde zurück. Die Stimmung war im Eimer, aber das Bild hielt ihn immer noch in seinem Bann, erfüllte ihn mit einer seligen Wärme, wie der erste Joint am Morgen, oder wie ein Schuss H. Kein Wunder, dass Dillon dafür bereit war, ihre Schulden abzuschreiben: Laut der kleinen Messingtafel auf dem reich verzierten und vergoldeten Rahmen handelte es sich um » DER BIRNBAUM von Claude Oscar Monet – 1907 «. Dreizehntausend? Das Bild musste Millionen wert sein.
Billy hob das Gemälde behutsam vom Haken. Nicht einmal zu atmen wagte er, als er es in die ausgebreitete Tasche bettete. Es tat fast weh, den Reißverschluss zuzuziehen.
Ein Klirren kam vom Sideboard. »Na, wer sagt’s denn?« Twist richtete sich auf, in den Händen vier Flaschen: Bombay Sapphire Gin, Smirnoff, Talisker und Courvoisier. Er wackelte mit den Hüften. »Heut’ Abend geben wir uns die Kante.« Er hielt in seinem Tänzchen inne. »Was ist? Du siehst aus, als ob dir wer in den Porridge geschissen hätte.«
»Nichts.« Er nahm die Tasche und biss die Zähne zusammen. »Lass uns verschwinden.« Es war nicht fair – warum sollte Dillon das Bild
Weitere Kostenlose Bücher