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Zwölf um ein Bett

Zwölf um ein Bett

Titel: Zwölf um ein Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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Tagesmädchen hatten, war doch allerlei zu tun, wenn ich nicht in der Schule war. Mein Vater ließ mich oft die Schule schwänzen, damit wir zusammen etwas unternehmen konnten. Wahrscheinlich habe ich darum auch ein so lückenhaftes Wissen. Sehr bald, erstaunlich bald, summte er wieder die >Losen Blätter<, und uns kam zum Bewußtsein, daß wir uns ein eigenes Leben zu zweit aufgebaut hatten. Ein anderes Leben, natürlich, und im Unterbewußtsein hatte man das Gefühl, daß etwas fehlte; aber wir wurden vertrauter so und hatten Freude daran, die Verantwortung für den anderen zu tragen. Wir machten uns weiterhin Geschenke, ließen aber die Gedenktage meiner Mutter aus; wir waren nicht sehr sentimental. Früher hatte meine Mutter ihm die Dinge gekauft, jetzt tat ich es und fand es wunderschön. Eigentlich bezahlte sie mein Vater, weil er mir mehr Taschengeld geben mußte, wenn ich ihm ein Geschenk machen wollte, aber das tat nichts. An den Wochenenden machten wir lange Spaziergänge mit unserem Hund. Eigentlich war es mein Hund, aber er mochte meinen Vater lieber. Wir waren beide leidenschaftliche Spaziergänger, und meine Füße entwickelten sich dadurch abscheulich kräftig. Ich war damals ziemlich dick und breit, aber das verschwand alles im Krankenhaus infolge des schlechten Essens dort. Manchmal spazierten wir über Wimbledon Common und Robin Hood Corner und durch den Richmond Park zu dem Hotel — komisch, daß ich nicht auf den Namen komme — mit lauter grünen Dachziegeln, wo man Steinhäger und Sandwiches mit Pökelfleisch bekommen konnte. Manchmal fuhren wir auch mit dem Bus oder der Straßenbahn ins Freie und spazierten den ganzen Tag. Wandern nennt man das jetzt. Klingt mein Leben meiner Erzählung nach nun schrecklich langweilig und brav? Ich glaube, ich war tatsächlich auch kein Unband, sondern ziemlich ohne Phantasie und Unternehmungsgeist. Ich besaß keinen Ehrgeiz, absolut keinen. Ich wollte nichts als dies Leben in Wimbledon. Die anderen Mädchen in der Schule schmiedeten Pläne, wie sie berühmt werden könnten, aber ich wünschte mir noch nicht einmal einen Beruf. Ich wollte nur zu Hause bleiben und eine vollkommene kleine Hausfrau sein. Mein Vater war sehr am Essen interessiert; nicht, daß er gefräßig war, aber er war gerade im richtigen Maße erpicht darauf, und es machte Spaß, für ihn zu kochen. Ich entsinne mich, wie ich manchmal den Atem anhielt, wenn ich ein Gericht auf den Tisch brachte, Oeufs mournay zum Beispiel — ach ja, wir waren in den Ferien in Frankreich gewesen — , wie wäre er enttäuscht gewesen, wenn die Eier zu hart gewesen wären! Dabei war ich selbst genauso wie Lady Sandys manchmal. Erinnern Sie sich, wie sie meist beim Essen rauchte und nie darauf achtete, was sie aß?
    Ich wollte auch nicht heiraten. Manchmal sprachen wir über einen sagenhaften Ehemann für mich, und zwar mit einer Art gönnerhaftem Mitleid mit dem Mann, der glaubte, sich vielleicht aufdrängen zu können. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß ich jemals einen anderen Menschen ebenso liebhaben könnte wie meinen Vater. Ich nehme an, Psychologen würden sagen, ich hatte einen Vater-Komplex, und ich glaube auch, daß ich ihn hatte, aber ich war wunderbar glücklich dabei.
    Als ich fast sechzehn war und in einigen Monaten die Schule verlassen sollte, begegnete er meiner späteren Stiefmutter. Er war ohne mich auswärts essen gegangen, und ich war schon im Bett, als er nach Hause kam. Auf dem Tisch in der Halle hatte ich ihm eins dieser Zwei-Penny-Päckchen mit Biskuit hingelegt, die man damals bekommen konnte — wissen Sie noch? Vier Biskuits mit ein wenig Käse dazwischen; er aß sie so gem. Ich hörte, wie er summte, als er zur Haustür hereinkam. Ich rief, damit er heraufkam und ich mit ihm über die Leute lachen konnte, die er getroffen hatte, aber er hörte nicht. Ich hörte ihn ins Wohnzimmer gehen und Feuer machen und hörte, wie er seinen Armsessel vors Feuer zog, und hörte die Dielen krachen, als er seine Pfeife und dergleichen holte, und schlief ein, ehe er heraufkam.
    Als ich am nächsten Morgen herunterkam, um ihm die Zeitung zu holen, damit er sie im Bett lesen konnte, hatte er die Biskuits nicht angerührt. Ich weiß, das hört sich nicht sehr bedeutungsvoll an. Sie können sagen, er hatte sie nicht gesehen, oder er hatte ein gutes Abendbrot hinter sich und nun keinen Hunger mehr gehabt, oder er ließ sie liegen, um sie mit zur Arbeit zu nehmen. All das sagte ich mir auch, aber es

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