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Zwölf um ein Bett

Zwölf um ein Bett

Titel: Zwölf um ein Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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sein, zwei Tage bevor sie starb wurde ich zwölfeinhalb. Wir feierten immer halbjährliche Geburtstage in unserer Familie. Wir liebten Gedenktage und Feiern und Geschenke, und wir benutzten jeden Vorwand, um uns eine solche Gelegenheit zu verschaffen. Meine Mutter und mein Vater feierten alles; nicht allein den Hochzeitstag, sondern auch den Tag, an dem sie sich zum erstenmal sahen, den Tag, an dem sie sich zum erstenmal küßten, den Tag, an dem er brieflich um ihre Hand anhielt, und den Tag, an dem er ihre Antwort bekam. Sie beschenkten sich dann stets — mit Blumen oder Süßigkeiten — nichts Wertvolles, wissen Sie. Wir besaßen nicht übermäßig viel, aber gerade genug, um ein bequemes Leben zu führen. Wir hatten ein kleines Haus in Wimbledon, mit Dahlien vor der Tür und einer Kokosnuß für die Vögel und einem Rasen hinter dem Haus, wo man sitzen und den Leuten zuschauen konnte, wie sie im Golfkursus den Ball von dem vierzehnten Erdhügel schlugen. Ich nehme an, Oliver wird es ein typisches Vorstadtidyll nennen, denn er ist in dieser Beziehung ein Snob. Aber jemand, der nicht dort gelebt hat, kann unmöglich wissen, wie hübsch es dort war. Ich weiß nicht, ob Sie es glauben, aber mir war es, als ob in dieser Zeit die Sonne viel mehr schien als jetzt. Sicherlich hatten wir in diesem Sommer wochenlang Sonne, aber jetzt regen wir uns schon über heiße Tage auf.
    Mein Vater arbeitete in London, und konnten wir nicht zu Hause sein, ehe er zurückkam — z. B. wenn ich Tanzstunde hatte oder wir zum Tee eingeladen waren — , so legte ihm meine Mutter jedesmal ein kleines Geschenk auf den Tisch in der Halle, das er finden sollte, wenn er nach Hause kam, oder wenn nicht ein Geschenk, dann einen Zettel. Aber immer eine Kleinigkeit. Wenn wir dann nach Hause kamen, hatte er schon irgend etwas getan: entweder mein Nachthemd herausgelegt — meist ein falsches — oder die Schuhe geputzt oder das Abendessen vorbereitet. Ich weiß, es klingt wie eine rührende Geschichte, aber es war wirklich so.
    Ich liebte meine Mutter. Sie war genauso wie ich und verstand alles, was ich tat; aber ich glaube, meinen Vater liebte ich fast noch mehr. Er war für mich wie ein Held und ein Gott, so wie Evelyns Vater für Evelyn. Er war so fröhlich. Nicht bedeutend oder temperamentvoll oder sehr witzig. Er war wirklich nur ein einfacher Mensch mit weichem Schnurrbart und braunen Augen und immer sehr fröhlich. Er sang nicht laut durchs Haus, er summte nur. Er hatte seine besonderen Melodien, zwei oder drei verschiedene, so daß man immer wußte, was kam. Ich wurde lebhaft an ihn erinnert, als ich das Buch über Gerald du Maurier las: Genau wie dessen Vater immer >Plaisir d’Amour< sang, so konnte man ihn auch hören, ehe er um die Ecke bog. Auch mein Vater machte sich seine Lieder allein, genau wie jener. >Lose Blätter< war eins davon. Noch lange Zeit später — aber so weit bin ich noch nicht — konnte ich es nicht ertragen, dies Lied gespielt oder gesungen zu hören, jetzt bin ich schon lange darüber hinweg. Ich habe mir mein Leben eingerichtet. Nichts kann mich mehr aus der Fassung bringen.
    Keiner von uns glaubte, daß sich unser Leben jemals ändern könnte. Wir stellten uns niemals vor, älter oder reicher oder ärmer zu sein oder anderswo zu wohnen oder durch eine Krisis in der Familie durcheinandergewirbelt zu werden. Unser Leben gehörte uns, und es war gut so. Wir waren niemals exaltiert glücklich oder haltlos deprimiert. Wir waren zufrieden, sicher und geschützt. Unsinn, werden Sie wahrscheinlich sagen.
    Meine Mutter starb an der Geburt eines zweiten Kindes, das sie sich nicht gewünscht hatte, weil wir drei so glücklich waren und niemanden mehr brauchten. Sie wollten außer mir kein anderes Kind mehr haben. Ich kann das ganz ohne Einbildung sagen, denn es ist so, als ob ich von einem ganz anderen Menschen rede. Was ich damals war, bin ich jetzt nicht mehr. Ich entsinne mich, wie ich mich damals, als sie gestorben war, eines Gedankens schämte. Ich entsinne mich, wie ich dachte, besser sie ist gestorben als mein Vater. Wäre er gestorben, so hätte dies das Ende für mich bedeutet. So, wie es nun war, besaß ich ihn noch, und ich setzte meinen ganzen Stolz darein, mich allein um ihn zu kümmern. Ich muß wohl für mein Alter schon sehr erwachsen gewesen sein, daß ich den ganzen Haushalt führen konnte. Meine Mutter hatte mir Kochen und Saubermachen und alle Haushaltsangelegenheiten beigebracht, und obwohl wir ein

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