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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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nicht, er zupfte Stängel und Blätter von den Beeren, als sei dies die bedeutendste Aufgabe seines Lebens.
    »Wir sollen kein Feuer machen«, sagte er.
    »Wo ist Marken?«, fragte Felt.
    »Er badet. Er ist noch nicht lang wach. Ich war der Erste, ich habe die Beeren gesammelt, als ihr noch   …« Er brach ab. Er hob den Kopf.
    »Dahinten, die Sträucher, siehst du?«
    »Ich hatte einen grauenhaften Traum«, sagte Felt und sah nicht hin, sondern den jungen Offizier an. Kersted wich seinem Blick aus.
    Felt aß einige Beeren, sie schmeckten wirklich sehr gut, säuerlich, aber nicht zu sauer, sie hatten eine feste, glatte Schale, die knackte, wenn man darauf biss, und saftiges, weiches Fruchtfleisch. Strems platzender Schädel. Felt spuckte Schalen und Kerne aus.
    »Dir geht’s wohl zu gut«, sagte Kersted, »die kannst du ruhig mitessen. Was anderes gibt es vorerst nicht.«
    »Ich habe keinen besonderen Hunger«, sagte Felt.
    »Ich schon«, rief Marken und schlug sich auf den haarigen, nassen Bauch. »Dieser pramsche Koch hat mich verdorben.«
    Er watete durch das seichte Flussbett, ließ sich neben Felt ins Gras fallen, schloss die Augen und klappte den Mund auf. Kersted warf ein paar Beeren hinein. Felt schaute in das Gesicht seines Freundes, das mager war wie immer, aber vollkommen entspannt zu sein schien. Wassertropfen glitzerten zwischen den Wimpern und im Bart, der um den schmalen Mund herum schon grau, nein, weiß wurde. Das war Felt vorher nie aufgefallen. Konnte Marken sich über Nacht verändert haben? Felt fuhr sich durch die Haare, fragte sich, wie er selbst wohl aussah. Verbrannte Haut. Er sah an sich herunter. Er hatte in seiner Rüstung geschlafen, immerhin, und Anda war auch an seiner Seite.
    Marken schlug die Augen auf, sah ihn an. Felt hatte den Eindruck, als wollte er ihm etwas sagen, aber dann besann er sich anders und wandte sich an Kersted: »Hast du noch welche?«
    »Jede Menge.«
    Marken kaute, dann meinte er: »Fünfzig Schritte den Fluss hoch ist eine Kiesbucht, da kannst du baden. Unter so einem Baum, ist ein guter Platz, besser als jede Wanne. Tu es, Felt, du wirst dich besser fühlen. Wie neu geboren.«
    Felt zog die Stiefel aus, legte den Panzer ab, gab Anda an Marken.
    »Ich passe gut darauf auf«, sagte er, legte sich das Schwert auf den Bauch, faltete seine Pranken darüber und schloss wieder die Augen. Felt ging in den Fluss, um zu baden.
     
    Eine große, alte Weide beugte sich über die kleine Bucht, in der das Wasser glatt und glänzend war. Felt schob die Zweige auseinander, die bis ins Wasser hingen, watete durch den Blättervorhangund gelangte in die schattige Abgeschiedenheit unter dem Baum. Ja, ein guter Platz. Er streifte Hemd und Hosen ab und ließ sich ins Wasser gleiten, die Kiesel waren groß und rund geschliffen, sie klackerten gedämpft, als Felt sich zurücklegte. Er versuchte sich zu entspannen, machte die Augen zu. Ristra, übergossen mit dunklem Blut. Nein. Augen auf. Goldene Sonnenlichtflecken schwammen auf der Oberfläche und liefen über die Steine, das Wasser war wie Glas. Er beugte sich vor, aber sein Gesicht bekam zu wenig Licht, er konnte sein Spiegelbild nicht erkennen. Er tastete seine Stirn, Augenbrauen, Nase, Lippen, Bartstoppeln   – wann hatte er sich zuletzt rasiert? Gestern, am Uferposten, eine Ewigkeit war das her. Dafür ging es eigentlich noch und auch sonst schien in seinem Gesicht alles in Ordnung zu sein. Er fühlte sich nur so verändert, so umgestülpt. Ach, das würde vergehen, der Traum würde ihm noch eine Zeit lang zu schaffen machen, aber er würde verblassen. Schon jetzt konnte er sich kaum mehr an die Stimme des Wolfs erinnern. Doch. Er konnte sich genau erinnern, und auch an jedes Wort. An die Lüge. Und daran, was er selbst gesagt hatte:
Nimm den Jungen
. Felt rutschte wieder zurück ins Wasser, bis zur Nase, nahm einen Mundvoll, zog das Wasser zwischen die Zähne, der eine Eckzahn wackelte. Er würde ihm ausfallen; immer nur Zwiebelsuppe war nicht genug, um ihm das Gebiss zu erhalten. Hinter dem sanft wehenden Zweigvorhang glitzerte es silbern. Felt spähte hindurch.
    Die Undae gingen durch den Bach. Angeführt von einem   – was war das, ein Kind? Der Junge war höchstens fünf Soldern alt, die glatten, dunklen Haare fielen ihm bis auf die Schultern. Er war, bis auf die kurzen Hosen, die er mit einem breiten, viel zu langen Gürtel an den Hüften hielt, nackt. Und er redete. Er stellte sich auf einen Stein, gestikulierte und

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