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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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plapperte und die Frauen hörten ihm aufmerksam zu, nickten hier und da zuseinem Vortrag. Er schien nicht einmal Luft holen zu müssen, sein Redeschwall ergoss sich ohne Pause aus seinem Mund, und zwar in einer Sprache, die Felt nie zuvor gehört hatte. Er verstand kein einziges Wort, aber der Singsang klang nett. Jetzt deutete eine der Frauen   – er sah Smirns dunkle Hand   – auf einen anderen großen Stein, um den herum das Wasser wirbelte. Sofort sprang der Junge von seinem Podest und machte sich an dem Stein zu schaffen. Mit einer Kraft, die ihm Felt nie zugetraut hätte, brachte er den Felsen in eine neue Position   – nun strömte das Wasser nicht nur um den Stein herum, sondern sprang auch darüber. Der Junge kommentierte anscheinend sein Tun und das Ergebnis, er schrieb mit den Händen Wellen in die Luft. Dann ging er um den Stein herum, beugte sich vor, stützte die Hände auf die Knie und kniff die Augen zusammen. Klemmte sich die langen Haare hinters Ohr. Und redete dabei in einem fort. Es war seltsam: Er hatte das Äußere eines Kindes, aber sein ganzes Betragen war das eines alten, beflissenen Mannes. Jetzt verbeugte er sich und lud die Undae mit vornehmer Geste ein weiterzugehen. Das Ganze schien eine Art Inspektion zu sein, eine Flussbegehung. Felt hielt die Zweige auseinander, sah ihnen nach. Der Junge deutete an die Ufer, die teils grasig, teils felsig waren, und lenkte die Aufmerksamkeit der Undae auf eine Gruppe von jungen Bäumen, die nah am Wasser standen. Vielleicht hatte er sie gepflanzt   – etwas, das ganz offensichtlich das Wohlwollen der Frauen erregte. Die vier gingen nun flussabwärts in Richtung der Wiese, auf der Felt aufgewacht war. Kurz bevor sie aus Felts Blickfeld verschwanden, hob eine der Undae die Hand über die Schulter und winkte ihm zu, ohne sich umzuwenden. Felt fühlte sich ertappt: Reva hatte die ganze Zeit gewusst, dass er alles beobachtete. Zeit, das Bad zu beenden. Er zwängte sich in seine nassen Hosen, legte sich das Hemd über die Schulter. Es ging ihm tatsächlichviel besser. Die Dunkelheit in seinen Gedanken hatte sich wie Dunst verzogen, der sich nicht im Gras halten kann, wenn die Sonne höher steigt.
     
    »Torvik möchte euch gerne den Quelljungfern vorstellen«, sagte Utate. »Das ist eine besondere Ehre.«
    Die Männer waren getrocknet und hatten sich in Ordnung gebracht, so gut es unter diesen Umständen möglich war. Utate ging voraus und die Welsen folgten ihr auf einem schmalen Uferpfad. Er führte von der sonnenüberfluteten Wiese in den Schatten des lichten Waldes, der so war, wie Felt ihn immer in seiner Erinnerung gehabt hatte: elastischer, laubbedeckter Boden, auf dem hier und da niedrige Dornengewächse krochen, hellgrüne Farne, die ihre Wedel in goldgelbe Lichtstrahlen hielten, feuchtglänzende Pilze, die in kleinen Gruppen zwischen Wurzeln standen. Und alle Schattierungen von Grün und Braun, die Wärme der Farben einer lebendigen Natur. Ein größerer Gegensatz zum Weißgrau seiner steinernen, nackten Welt war nicht vorstellbar und Felt empfand kein Heimweh nach dem Berg, sondern gab Estrid in Gedanken recht: Hier sollten die Kinder groß werden. Vielleicht würden sie eher gute, sanftmütige und freie Menschen werden in einer Umgebung, die sie nicht jeden Tag aufs Neue ablehnte, sondern willkommen hieß.
    Das Sirren, das er seit seinem Erwachen wahrgenommen und an das er sich schon beinah gewöhnt hatte, wurde lauter. Sie traten hinaus auf einen steinernen Vorsprung, der in einen kleinen See hineinragte. Das Wasser war in Bewegung hier, über eine natürliche Felstreppe strömte es hinab in den See, floss von dort über bemooste Steine weiter und wurde zu dem Bach, an dessen Ufer sie gegangen waren. Sie waren an der Quelle angelangt. Ganz in der Nähe der Felstreppe hockte wieein Frosch der Junge auf einem Stein. Reva und Smirn standen bis zur Brust im Quellsee, die Arme ausgebreitet. Sie waren bester Laune, lachten, und es sah aus, als höben sie von Zeit zu Zeit etwas Unsichtbares, Leichtes aus dem Wasser in die Luft. Der Junge, der offenbar Torvik hieß, begleitete das seltsame Tun mit seinem Geplapper, das aber kaum das Sirren übertönen konnte. Es kam von den vielen schlanken, geflügelten Wesen, die über dem See kreisten. Sie waren groß und flogen so schnell, so geschickt, in so waghalsigen Formationen, dass Felt nur das Schillern der transparenten Flügel wahrnahm und ein bläuliches oder grünliches, metallisches Glänzen

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