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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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offiziell geschenkt, denn Timoks Falbe war durch den Pfeilschuss zu schwer verwundet worden. Sie trieben zehn Pferde vor sich her Richtung Norden. Nuru führte, gemeinsam mit zwei Familien, den Rest der Herde nach Westen. Sie vermutete ihren Vater, den Nogaiyer Thon, dort in der Nähe eines Waldgebietes und wollte ihn vor einem möglichenEinfall der Merzer warnen. Selbst wenn Babu nicht zu finden wäre, so hatten ihn doch viele gesehen; der große Vogel, seine schönen Pferde, die schwarzen Speere und Messer hatten ihn schnell bekannt gemacht. Man musste sich auf eine Haltung gegenüber den Merzern einigen. Eine dritte Gruppe war, nachdem sie das Lager in aller Eile abgebaut hatten, nach Osten aufgebrochen. Der Tote schließlich zog mit seiner Eskorte südwärts, den Verfolgern entgegen. An einem im Kampf gefallenen Mitglied seines Volkes konnte kein Merzer einfach vorbeigaloppieren. Viele Soldern hatten sie es nicht mehr getan, aber nun würden sie Jator grüßen müssen und die Floskeln aufsagen, mit denen der Tote geehrt, die Familie bedauert und der Feind verflucht wurde. Erst dann konnten sie weiter der Spur durchs Gras folgen und würden den Lagerplatz finden. Und weitere Spuren, alle gleich breit, die in drei Richtungen wiesen. Welche war die vielversprechendste? Babu vertraute auf die tief sitzende Uneinigkeit seiner Landsleute, die in diesen Tagen wieder zum Vorschein kam. Sie würden lange streiten und schließlich würden sie sich trennen   – und dann wären im Land der Nogaiyer nicht mehr die Merzer auf Kriegszug, sondern die alten Clans, die sich gegenseitig einen Misserfolg wünschten bei der Jagd nach Babu. Bei der Jagd auf den Platz des Thons. Jetzt verstand Babu, was Dant gemeint hatte, als er sagte, er sei die größte Gefahr, welcher der Thon sich je gegenübergesehen hätte. Babu war kein Sohn des Friedens. Sein Verschwinden hatte einen Clan ausgelöscht. Seine Existenz säte Zwietracht unter den anderen. Was würde erst geschehen, wenn er nach Bator Ban zurückkehren würde?
     
    Denn das wollte er. Die Begegnung mit Nuru hatte den Gedanken an Rache betäubt. Der Tod Jators hatte ihn wieder angefacht. Babu fühlte den Splitter in seiner Stirn brennen undder Kopfschmerz, der dahinter lag, immer, Tag und Nacht, war wieder schärfer geworden.
Tod dem Thon
. Mit diesem Gedanken war Babu aus dem Zwischenreich in den Schnee dieser Welt zurückgekehrt. Dann war er in die Spur getreten und die Jagd hatte begonnen. Die Jagd auf die Wölfe, die Ausgeburten seiner gequälten Seele, die von seiner eigenen dunklen Seite in die Wirklichkeit, ins blendend helle Weiß der Bergwelt hinübergewechselt waren. Mit seinem Hass und seiner Wut hatte Babu den dämonischen Wölfen diesen Wechsel ermöglicht, so musste es gewesen sein: Er war der Riss gewesen, durch den sie schlüpfen konnten. Aber wer war es denn gewesen, der ihn so gequält, so zerrissen hatte? Bator Thon. An der Grenze zwischen Leben und Tod hatte Babu nicht vergeben können. Er hatte dem Wolfs-Thon den Vatermord nicht verzeihen können. Es war zu schwer gewesen, es war unmöglich gewesen. Babu hatte ihm sein Nein entgegengeschleudert.
    Er begriff, dass die Jagd noch nicht zu Ende war. Das Rudel war besiegt   – und viele Menschen waren gestorben. Noch mehr würden sterben, denn Babu musste weitergehen,
bis zum Ende, wo der Kreis sich schließt.
    Er musste zurück. Er musste die Herrschaft Bator Thons, die auf Mord und Verrat gegründet war, beenden. Er musste den Dämon besiegen. Dann erst wäre der Kreis geschlossen, dann wären die Morde gesühnt. Dann konnte er frei sein und Badak-An-Bughar Nogaiyer werden.
    Ich werde nach Hause kommen, versprach er Jator in Gedanken. Es dauerte nur noch ein wenig, denn erst einmal musste er sich verstecken.
     
    »Weiter kann ich dich nicht begleiten«, sagte Timok. Sie hielten die Pferde an unter den weit ausladenden Ästen eines großen, einzeln stehenden Baums. Die Rinde war rissig und grau,wie versteinert. Es war kaum vorstellbar, dass dieser Baum einmal ein junges, biegsames Pflänzchen gewesen war, er schien seit Anbeginn der Zeit hier verwurzelt zu sein. Nebelschwaden krochen durchs feuchte Gras wie körperlose Schlangen. Die Pferde der kleinen Herde schnaubten, drehten die Ohren und kein einziges senkte den Kopf, um zu grasen. Juhut saß regungslos auf Babus Faust. Die Geräusche der Natur, das Zirpen zwischen den Halmen, das Singen in der Luft, waren nach und nach verstummt. Nun, an der Grenze zum

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