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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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nicht vergessen wird. Denn auch die Hauptakteure von damals sind noch nicht abgetreten   – sie haben nur das Kostüm gewechselt und warten auf den letzten Akt. Sardes hat den jugendlichen Liebhaber abgelegt und spielt nun die Rolle des alten, wortkargen Kriegers. Asing hat ihr Menschenkostüm zerrissen und ist ins Feuer gegangen. Und Asli? Asli hat ebenfalls einen Rollenwechsel vollzogen. Sie hat sich entzündet, sie ist explodiert, sie ist verglüht, sie hat ihre weiße Flamme über den ganzen Kontinent geworfen. Niemand hat diese Flamme aufgefangen. Außer den Undae. Die Hohen Frauen haben sie bewahrt, ganz so, wie es ihre Art ist. Sie haben ihn aufgehoben, den kleinen weißen Rest der großen Adeptin, an die sich sonst kaum noch jemand erinnern kann. Sardes einmal ausgenommen.‹«
    Reva unterbrach sich.
    »Hier schweift Wigo etwas ab und geht näher auf die Beziehung von Sardes und Asli ein, wie mir scheint   … Soll ich das überspringen?«
    »Nein, lies einfach weiter«, sagte Felt mit geschlossenen Augen. »Ohne Abschweifungen wäre es nicht Wigo.«
    »Nun gut. Wo war ich? Hier: ›… an die sich sonst kaum noch jemand erinnern kann. Sardes einmal ausgenommen. Wie sollte er diese Frau auch vergessen? Selbst wenn sein Leben wahrlich nicht arm an weiblicher Zuwendung gewesen ist, spielte Asli darin doch eine ganz besondere Rolle   – denn sie hat Sardes’ Leben zwar nicht beendet, aber doch zu seinem Sterben beigetragen. Allerdings hat auch in diesem Zusammenhang wieder Asing den auffälligeren Part: Sie war es, die Pram mit ihren Zornesfunken verbrennen wollte. Aber der Umstand, dass Asing aus der Schlacht zurückkehrte, in welch jämmerlicher Verfassung auch immer, machte Sardes bewusst, dass auch Asli ihm in den Tod vorausgegangen war, genau wie all seine Geliebten vorher. Man sollte meinen, er habe sich mit der Zeit daran gewöhnt, aber damals muss ihn das zutiefst getroffen haben. Was nachvollziehbar wird, wenn man auch nur einen Augenblick versucht, sich in seine Lage zu versetzen: Vor dir steht eine Frau, die den Tod derjenigen verschuldet hat, die du liebst. Und sie sieht dabei ganz genau so aus wie deine Geliebte! Nun zerfallen gewissermaßen beide vor deinen Augen, die Täterin und das Opfer, und werden zu Aas. Ich glaube nicht, dass ich mich zu weit vorwage, wenn ich behaupte, dass selbst ein Mann wie Sardes da die Nerven verlieren kann. Das war der Moment, in dem er das Wasser hat überquellen lassen. Er hat Pram damit gerettet, das ist sicher. Vor allem aber hat er Asli gerächt, indem er die grausame Asing aus der Stadt vertrieben hat. Nicht das letzte Fünkchen ihrer Existenz sollte mehr auf dem Kontinent zurückbleiben   – das ist ihm allerdings nicht gelungen, sieist noch hier, aber davon später. Asli hatte sich für die Welsen geopfert. Sardes hat sich für Asli geopfert. Dass Pram dabei gerettet wurde, war eine begrüßenswerte Begleiterscheinung. Aber die Kraftanstrengung, die nötig war, um das Wasser der Quelle so hoch steigen zu lassen, dass es auch noch das letzte Dach benetzte, war gewaltig. Davon konnte Sardes sich nicht mehr erholen; davon konnte sich auch die Quelle nicht mehr erholen. Sein Sterben nahm seinen Anfang. Die Quelle begann zu versiegen. Das Wasser, das noch für Hunderte von Soldern gereicht hätte, war in einer Nacht verschwendet worden.‹«
    Reva unterbrach abermals den Lesefluss. Felt richtete sich auf.
Pram wäre ohne Euer Zutun heute nicht das, was es ist.
Das waren Kersteds Worte gewesen, unten am Quellsee von Pram. Utate hatte dem steinernen Abbild des alten Quellhüters die Hand auf die Brust gelegt   … und Felt hatte die Scham auf Sardes’ Gesicht gesehen. Nun verstand er. Kersted hatte nicht ahnen können, wie recht er mit seiner Einschätzung gehabt hatte. Sardes hatte Pram gerettet   – und zugleich seinen Niedergang eingeläutet. Alles hing mit allem zusammen.
    Reva blätterte, las aber nicht weiter.
    »Was ist denn?«
    »Einen Moment bitte.« Sie überflog die Seiten. »Wigo ergeht sich im Folgenden in seitenlangen Abhandlungen über das Wasser und die Bedeutung der Quellen, das muss ich nun wirklich überspringen. Das Wesentliche ist dir bekannt, mir sowieso   … ah, ab hier wird es wieder spannender. Du kannst dich ruhig wieder zurücklehnen, solange du mir nicht einschläfst.«
    »Wohl kaum   – ich erwarte den Auftritt des Todes.«
    Felt blieb aufrecht sitzen. Reva nickte nur und las weiter: »›Wenn ich den letzten Akt, den Akt

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