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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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noch bevor die Wölfe ihre Körper zerrissen hatten. Und er hatte das Entsetzen auf den Gesichtern der Toten gesehen, die sterbend in die finsterste Kammer ihrer Seele geblickt hatten.
    Das waren keine Wölfe.
Nein, natürlich nicht, Wigo hatte es gewusst. Das waren keine Wölfe, das waren Gestalten der Angst, Wirklichkeit gewordene Furcht. Dämonen des Entsetzens.
    Wessen Furcht? Wessen Tür hatte Asing so weit aufreißen können, dass das Grauen nicht nur ihn überrennen, sondern weiterlaufen konnte   – bis hinein in die wirkliche Welt?
    »Reva«, Felts Stimme war belegt, »was schreibt er noch? Woher kamen diese Wölfe? Von
wem
kamen sie? Lies bitte weiter.«
    Sie schüttelte den Kopf. Das aufgeschlagene Buch in ihrer Hand bebte. Sie legte die andere Hand auf die Seiten. Es dauerte lange, bis das Zittern abebbte und Reva antworten konnte.
    »Hier steht nicht mehr viel, aber wenn du willst, lese ich zu Ende. Wigo schreibt: ›Ich bin mir bewusst, dass meine Theorie abenteuerlich klingt, und ich bin froh, dass ich sie vorerst für mich behalten kann. Kein Mensch will die Weltuntergangsfantasien eines Spinners hören. Und noch viel weniger will er hören, dass
er selbst
ein Tor zum Untergang ist, dass
durch ihn
eine unbezwingbare, üble Macht in unsere Welt gelangt. Außerdem hoffe ich immer noch, dass ich mich irre. Ich werde also weiter Beweise sammeln, ich werde beobachten, ich bin mit meiner Arbeit noch lange nicht fertig. Dies soll ein wahrhaft aufrüttelndes Werk werden. Die Ironie des Schicksals kümmert mich nicht: Ich werde die Chronik des Untergangs aufschreiben, auch wenn keiner mehr da sein wird, um sie zu lesen.‹«
    Reva blätterte weiter und verstummte. Felt wusste, was sie sah: einen Punkt, tief eingedrückt. Eine zittrige Linie, einen zweiten Punkt. Und darüber den Schmier von Kohlebröckchen, der wie eine Wolke aussah. Oder wie der Rauch eines großen Feuers.

 
    SIEBENTES KAPITEL
EINE INNERE FESTUNG
     
    Sie waren Gefangene über der Stadt. Dass sie ganz oben auf einem Turm waren, hatte Felt erst spät entdeckt   – er wäre beinah hinuntergestürzt. Während Babu saß, in einem seltsamen Zustand von gleichzeitigem Halbschlaf und vollkommener Wachheit, und seine Augen nicht vom unermüdlich am Himmel kreisenden Falken nahm, musste Felt sich bewegen. Er wanderte zwischen den verschieden großen Kugelbauten umher. Einmal trat er in eine enge, verschattete Gasse, die so plötzlich zu Ende war, dass Felt vor Überraschung strauchelte und fast hinabgefallen wäre.
    Nun aber ging er, wie er immer gegangen war, tagein, tagaus. Er lief hinter den Bauten am Rand der Turmkrone entlang. Der Turm war so groß, dass die Runde nur wenig kürzer war als eine Wallbegehung in Goradt. Der Himmel wölbte sich strahlend blau über ihm; unten breitete sich die Stadt aus und bot zu jeder Zeit ein neues Bild aus Licht und Schatten im endlosen Berst. Hier und da blähte sich eine Staubwolke und zeugte davon, dass der Baumeister niemals ruhte, auch wenn seine Anwesenheit über dem Brunnen, der Quelle, immer spürbar war. Laszkalis griff sie nicht mehr an. Im Grunde hatte er dasnie getan   – er hatte sie zu sich geholt. Dass sie sich gesträubt hatten, dass sie so klein und zerbrechlich waren, körperlich und seelisch, war nicht seine Schuld. Konnte man an ein solches Wesen überhaupt menschliche Maßstäbe anlegen und von Schuld, Absicht oder Sorge sprechen? Was Laszkalis bewegte, konnte Felt nicht ergründen. Laszkalis ging auf den Wegen des Windes und er verstand, was Einsamkeit war: Manchmal fühlte Felt etwas neben sich wandern, eine kleine Hand in seiner und er wehrte sich nicht dagegen. Er vermisste Ristra schmerzlich, das hätte er vor keinem Menschen verbergen können, wie viel weniger vor Laszkalis.
    Felt hatte keine genaue Vorstellung davon, wie lange sie nun schon in Wiatraïn waren, die Zeit war elastisch geworden. Das lag zum einen am Ort, daran, dass sie aus der Welt waren, und zum anderen am Fasten. Wie es Babu damit ging, wusste Felt nicht, sie sprachen kaum miteinander, aber es war unwahrscheinlich, dass er sehr litt. Ein Körper gewöhnt sich erstaunlich schnell an diese Situation, und wenn man auch die Gedanken vom Essen abzieht, öffnet sich ein Freiraum. Felt war, wie jeder Welse, schon oft dort hinausgetreten und hatte in der Leere seinen Willen trainiert. Das brauchte er nun nicht mehr. Er tat etwas anderes: Er erinnerte sich. An Marken, den Freund, der ihm ein Schwert hatte schmieden

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