Zwölf Wasser Zu den Anfängen
einen leichten Köcher heran und schnürten alles zu einem Bündel zusammen. Babu setzte Juhut die Schmuckhaube auf. Sie war noch etwas zu groß, stand ihm aber vortrefflich und durch die gestanzten Augenschalen konnte er genug sehen. Sein Gewicht auf dem Handschuh schien sich halbiert zu haben; selbst wenn Juhut noch größer und schwerer würde, wäre er leicht zu tragen. Meister Balks Augen leuchteten vor Begeisterung über seine eigene Arbeit, er kam aus dem Verbeugen nicht mehr heraus.
Babu hatte als Hirte die Werkstatt des Lederers betreten, als ein Falkner verließ er sie wieder. Die Ärmel seines Mantels solle er sich abtrennen, rief der Meister ihm noch nach, damit er ihn über der Jacke tragen könne, der Firsten sei nicht mehrweit. Er kam auf die Gasse gelaufen und bot Babu an, es jetzt und hier für ihn zu tun, für ihn, den Falkenprinzen. Selbstverständlich unentgeltlich, fügte der Meister noch laut und deutlich hinzu, als ein paar Leute stehen blieben, um den schönen jungen Mann und seinen stolzen Vogel zu bestaunen – und den Lederer, der die beiden nicht nur so vortrefflich ausgestattet hatte, sondern der auch ein reicher Mann sein musste, denn wie sonst hätte er sich solche Großzügigkeit leisten können?
Die alte Szasla kam nur noch sporadisch mit Beute, Juhut selbst konnte aber immer noch nicht richtig fliegen, daher war er oft schlecht gelaunt und hungrig. Es wäre einfacher gewesen, wenn er sich von einem hoch gelegenen Horst hätte herabstürzen müssen und gleitend und flügelschlagend, von Aufwinden getragen, die ersten Versuche hätte machen können. Juhut aber musste von einem Zaun oder von Babus Arm aus starten und gewann kaum genug Höhe, um nach Beute zu spähen – die ersten Jagdversuche fielen entsprechend kläglich aus. Aber Babu gab nicht auf. Jeden Tag ritt er nun, den Vogel auf der Faust, hinaus ins Grasland. Juhut liebte es zu reiten, es konnte ihm nicht schnell genug gehen. Er reckte den Kopf weit vor in den Wind, trieb das Pony mit scharfen Pfiffen an. Und eines Morgens startete er einfach – Babu spürte, wie sich die Klauen des Falken vom Handschuh lösten, und er warf Juhut in vollem Galopp mit aller Kraft hoch in die Luft. Und der Falke flog. Stieg mit kraftvollen Flügelschlägen auf in den wolkenverhangenen Himmel, ließ sich absacken, stieg wieder, flog eine weite Schleife. Babu hielt das zitternde Pony an und beobachtete Juhut. Dies war sein wahres Element, fliegen musste er – und nicht zwischen Kafurdung am Boden in einem Pferch hocken. Es war Babu, als könne er selbst freier atmen, als er Juhut am Himmel sah. Er hörte ihn rufen. Mit dem gleichen klagenden,weit tragenden Ton, den er auch damals gehört hatte, als er gemeinsam mit Jator die Falkner besuchte. Und wieder versetzte ihn dieser Ruf in einen eigenartigen Zustand, als brächte der sehnsüchtige Klang seine Seele zum Schwingen. Stumm und reglos saß Babu im Sattel, er senkte den Kopf und wusste nicht mehr, wer er war.
Juhuts Ruf aber wurde beantwortet. Wie Pfeile kamen die anderen Szaslas angeschossen. Sie umkreisten den Jungvogel, ein wilder, von halsbrecherischen Sturzflügen begleiteter Tanz begann. Die Falken flogen, erst in weiten Kreisen, dann zogen sie die Spirale immer enger und ließen sich immer schneller fallen. Es war ein lebender Wirbelsturm, in dessen Zentrum sich Babu befand. Immer näher kamen die Szaslas, das Brausen der Schwingen wurde laut und lauter, das Pony scheute und stieg, bald berührten die Falken die Spitzen des aufgewühlten Gräsermeers. Babu hob den Arm. Den Schnabel weit geöffnet und schwer atmend, landete Juhut. Eine Runde noch um Babu, den erschöpften Juhut und das vollkommen verängstigte Pony – dann stiegen die Falken wieder auf und waren schnell hinter den Wolken verschwunden.
Sie ritten eine Weile durch die leere Landschaft, ziellos. Die dichte Wolkendecke über dem Langen Tal ließ ein diffuses, entfärbtes Licht durchsickern. Gras und Himmel verbanden sich in einem einheitlichen, blassen Grau. Das Wetter würde sich bald ändern, bald zögen die ersten kräftigen Regenschauer über das Land. Danach käme der Firsten mit noch mehr Regen und steifem Wind. Und die Falkner würden das Lange Tal verlassen. Der Flug der Szaslas hatte es Babu endgültig klargemacht: Hirte zu sein war ein Traum gewesen, der nun vorüber war. Jetzt war er wach und war ein Falkner. Er
hatte
eine Aufgabe. Und es gab noch etwas, das er endlich klären
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