Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Erstgeborene, Bruder von Iza und Brun, und er wäre das Haupt des Clans, wenn ihn die Natur nicht behindert hätte. Seinen Körper umspannte Tierhaut, und das warme Überfell, das auch als Schlafdecke diente, hatte er im Nacken wie die anderen Männer; von seinem Gürtel hingen jedoch
mehrere Beutel herab, und auf dem Rücken trug er, sorgsam eingehüllt, einen großen unförmigen Gegenstand.
Hässliche Narben durchzogen die linke Gesichtshälfte des Einherhinkenden, dessen rechtes Auge klar und forschend die Schwester beschaute, während unter dem buschigen linken Brauenwulst eine leere Höhlung dunkel starrte. Es war der Mog ur, der mächtigste Zauberer aller Clans, als Mann des Wunders und Gefährte der Geister gefürchtet und verehrt. Er glaubte felsenfest daran, dass ihm ein bresthafter Körper gegeben war, nicht um den Clan zu führen, sondern ihm als Kundiger der Geisterwelt zu dienen, wodurch er oft mehr Macht besaß als die Anführer, und er wusste das. Nur nahe Verwandte kannten
seinen Namen und riefen ihn damit.
"Creb", grüßte Iza und bedeutete ihm, dass sie sich freute, ihn neben sich zu sehen.
"Iza?" sagte er und deutete mit fragender Geste auf das Kind, das sie bei sich trug.
Die Frau schlug den Umhang auseinander, und Creb beäugte aufmerksam das kleine gerötete Gesicht. Sein Blick ruhte eine Zeitlang auf dem angeschwollenen Bein und der eiternden Wunde und wanderte dann wieder zurück zur Schwester. Das Mädchen stöhnte, und das finstere Gesicht des Zauberers verzog sich zu freundlichen Falten. Er nickte beifällig.
"Gut." Es war ein rauer, kehliger Laut. "Es sind schon genug gestorben", sagten seine flink sprechenden Hände.
Creb blieb an Izas Seite. Für ihn galten die stillschweigenden Regeln nicht, die Stellung und Rang jedes einzelnen fest bestimmten; er konnte sich jedem an die Seite gesellen, auch dem Anführer, wenn er wollte. Der Mog-ur stand über und neben der strengen Hierarchie des Clans.
Brun hatte sie inzwischen ein gutes Stück von den Spuren der Höhlenlöwen weggeführt, als er plötzlich das Zeichen zum Halten gab und forschend den Blick über das Land schweifen ließ. Jenseits des Flusses schwang sich, soweit das Auge reichte, das Gras in sanften welligen Hügeln, fern in einem Grünblau mit dem Himmel verschwimmend. Seine Augen passierten ungehindert die wenigen krüppeligen Bäume, die, vom ewig blasenden Wind in Zerrbilder erstarrter Bewegung verwandelt, die Tiefe der Sicht verstärkten und die Ödnis hervorhoben. Eine Staubwolke am Horizont ließ vermuten, dass dort eine große Herde Huftiere in Bewegung war, und Brun wünschte aus tiefstem Herzen, er könnte seinen Jägern das Zeichen geben, dass sie ihnen nachstellten. Als er sich umdrehte, sah er den
Wald, der in der Weite der Steppe schon fast verloren wirkte, und die Wipfel hoher Nadelbäume, die aus niederem Laubblattwerk hervorstachen.
Dort am Fluss, wo er stand, stellten sich dem flachen Grasland schroff die Felszacken entgegen, die immer weiter vom Fluss fortrührten. Das steilwandige Felsenband zog sich hin bis zu den grauen Geröllhalden gewaltiger gletscherweißer Berge, die gewöhnlich das Land überschatteten, jetzt aber, im
Glanz der untergehenden Sonne ihre eisverkrusteten Gipfel in Rosa, Rotgold, Violett und Purpur leuchten ließen, als krönten sie funkelndes Edelgestein. Selbst Brun, den sonst nur der Nutzen eines Dinges oder eines Ereignisses kümmerte, war von der Farbenpracht beeindruckt.
Dann wandte er sich vom Fluss ab und führte seinen Clan zu dem hochaufragenden Felsenband. Dort vielleicht gab es Höhlen. Sie brauchten endlich eine Heimstätte, genauso wie die Schutzgeister, die nach einem sicheren Ort und Feuer verlangten, wenn sie nicht schon längst den Clan verlassen hatten. Sie zürnten, das Beben der Erde war der Anfang gewesen, das sechs Clan- Leute und die Höhle als Opfer
genommen hatte. Und wenn man ihnen nicht bald einen festen Wohnplatz verschaffte, dann würden sie den Clan den bösen Geistern übergeben, die Krankheit brachten und das Wild vertrieben. Keiner wusste, weshalb die Unsichtbaren so zornig waren, nicht einmal der Mog- ur, der sie allabendlich mit
wunderlichen Gebärden und Verrichtungen beschwor, um ihren Zorn zu besänftigen und die Ängste des Clans zu mildern. Alle waren tief beunruhigt. Doch keiner war so starken Sinnes wie Brun.
Er hatte den Clan anzuführen, und es lastete schwer auf ihm; doch Geister, nicht
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