Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
allein nun in einer Wildnis grasiger Steppen und verstreut stehender Wälder. Gletscher glänzten von weit her, sandten Eiseskälte aus. Tiere, unvorstellbar viele, durchstreiften die weiten Ebenen, auch räuberische waren darunter. Und Menschen? Die wenigen, die es hier gab, hatte die Erde gefressen. Nur das Kind war noch da, und niemand würde kommen, es zu suchen.
Wieder erzitterte der sich allmählich setzende Grund. Aus der Tiefe hörte das Kind ein dumpfes Grollen, als verdaute die Erde den hastig verschlungenen Fraß. Entsetzt sprang es auf, voller Angst, dass sich der Boden erneut öffnete. Ungläubig blickte es auf die Stelle, wo Felsen, Vorbau und Höhle gewesen waren. Aufgeworfene Erde und entwurzelte Sträucher - sonst nichts! Das Wasser schoss ihm aus den Augen, als es zurück zum Fluss rannte und sich aufschluchzend in den Schlamm wühlte.
Doch die durchweichte Böschung bot nicht den geringsten Schutz. Ein weiteres Beben, schwerer diesmal, erschütterte den Boden. Das kleine Mädchen krümmte sich, als eisiges Wasser auf seinen nackten Körper klatschte. Panik in den Augen, sprang es auf die Beine. Nur fort von hier! Aber wohin?
An dem steinigen Ufer gediehen keine Pflanzen, gab es keine Büsche; Flussaufwärts jedoch waren die Ufer von Sträuchern überwuchert, an denen schon die ersten neuen Blätter sprossen. Wie schon immer in seinem Leben, suchte nun das Kind die Nähe des Wassers, doch das Geschlinge der dornigen Büsche war undurchdringlich. Aus tränenfeuchten Augen blickte es in die andere Richtung, hin zum Wald aus hohen Nadelbäumen.
Schmale Sonnenstrahlen fielen zwischen den sich gegenseitig bedrängenden Zweigen der dichtstehenden Bäume hindurch, die zum Fluss hin wuchsen. Fast kein Unterholz gab's in dem schattendunklen Wald, viele der Bäume hatten gelitten.
Einige waren umgestürzt, andere neigten sich gefährlich, gehalten von ihren Nachbarn, die noch fest verwurzelt waren. Jenseits von diesem Baumgewirr stand finsterer Wald, nicht einladender als der Busch stromaufwärts. Unentschlossen spähte das Kind zuerst in die eine, dann in die andere Richtung. Welche war wohl besser? Wo waren Wärme und Schutz?
Ein erneutes Zittern beendete die Unentschlossenheit des Mädchens. Es warf noch einen letzten Blick auf das zerschlagene Land und lief dann in den Wald.
Vom dumpfen Rumpeln der sich langsam beruhigenden Erde angetrieben, folgte die Kleine dem Lauf des Wassers und hielt nur kurz an, um hastig den Durst zu löschen. Die riesigen, stolzen Tannen, die das Beben aus dem Boden gerissen hatte, lagen niedergestreckt im Unterholz. Wieder und wieder mussten in weitem Bogen die Krater umgangen werden, die das gewaltige Wurzelwerk der stürzenden Bäume, das immer noch feuchte Erde und kleine Steine umschlang, aufgerissen hatte.
Gegen Abend verloren sich die Spuren der Zerstörung; kaum noch entwurzelte Bäume und versprengte Felsbrocken. Das Wasser floss klarer. Als man nicht mal mehr die Hand vor den Augen sehen konnte, hielt die Kleine an und sank erschöpft auf den Waldboden. Das dauernde Laufen hatte sie warmgehalten, jetzt aber begann sie zu zittern; viele winzige Höcker fühlte sie auf ihrer Haut. Die Kälte der Nacht. Schnell scharrte sie eine Mulde im weichen Waldboden, legte sich hinein, zog die Beine fest an den Bauch und nahm die Nase zwischen die Knie. Zuletzt warf sie noch mehrere Handvoll Tannennadeln über sich.
Doch so müde sie auch war, die Angst hielt sie wach, die jetzt hoch kroch in ihr und sich auszubreiten begann. Mucksmäuschenstill lag sie da, die Augen weit offen, und musste zusehen, wie die Finsternis rundum dichter wurde. Keine Regung, kaum zu atmen getraute sie sich.
Noch nie war sie nachts allein gewesen; immer hatte ein Feuer gebrannt, um die bedrohliche Dunkelheit abzuwehren. Und plötzlich saß die Angst in ihrer Kehle. In Weinkrämpfen, schluchzend und schniefend, würgte sie dieses entsetzliche Gefühl heraus. Dann schlief sie erschöpft und erleichtert ein. Neugierig beschnupperte ein kleines Nachttier das Kind, das nichts davon spürte.
Die Erde aber hatte noch immer nicht zur Ruhe gefunden. Fernes Grollen aus grässlichsten Tiefen setzte sich als Alptraum im Kopf des Kindes fort. Schreiend erwachte es, fuhr hoch, wollte fliehen, doch seine aufgerissenen Augen sahen ebenso wenig wie durch die geschlossenen Lider. Wo war sie denn? Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Warum konnte man nichts sehen? Wieso waren da nicht die sorgenden Hände, die sie
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