0002 - Die Totenkopf-Insel
Sinclair schleuderte er haßtriefende Blicke zu.
Der Geisterjäger stand etwas erhöht. Er konnte über die Piraten hinwegblicken. Das Schiff war noch immer von einer Nebelwand umhüllt. Die grauweiße Masse pulsierte und bewegte sich. Manchmal zogen lange Schlieren über das Deck.
Als John noch auf der Barkasse war, hatte er zwar in den Nebel hineinsehen können, jetzt aber konnte er nicht hindurchblicken. Er wußte nicht, was sich hinter der geheimnisvollen Wand abspielte.
Die Piraten hatten einen Halbkreis um ihren Gefangenen gebildet. Jemand trug eine Fahne herbei. Auf weißem Untergrund war ein schwarzer Totenkopf gemalt. Der schnurrbärtige Pirat schwenkte die Fahne hin und her. Dabei schrie er: »Rache! Rache!«
Captain Barrel war zufrieden. Laut brüllte er einen Befehl über das Deck des Schiffes. »Holt den Henker!«
Und der Henker kam!
Als John den Kerl sah, lief ein Schauer über seinen Rücken. Der Henker sah zum Fürchten aus.
Er war kahlköpfig, und sein Oberkörper war nackt. Er trug eine enge Hose und hielt mit beiden Fäusten den Griff einer Machete umklammert. Auf seiner Brust wuchs ein dichter Haarpelz. Er hatte die Zähne zu einem häßlichen Grinsen gefletscht. In seinen Augen funkelte Mordlust.
»Das ist Ramon!« stellte Captain Barrel den Henker vor. »Er wird dich in zwei Stücke spalten!« Der Captain lachte gräßlich, und Ramon stimmte in das wilde Gelächter mit ein. »Aber noch ist es nicht soweit«, rief Captain Barrel gellend. »Erst werden die anderen geholt. Keiner unserer Gefangenen soll überleben. Wir werden das Blutfest der Piraten feiern.« Sein rechter Arm schnellte vor. »Das ist die Rache für dein Erscheinen hier. Du allein bist schuld, daß die Menschen sterben müssen. Aber sie werden deinen Tod miterleben, und in sieben Jahren wird es mir gelingen, den unseligen Fluch zu löschen!«
Captain Barrel wandte sich um. Er blickte seine Männer an und las in ihren Gesichtern die Bereitschaft, ihm überall hin zu folgen. »Los, schafft mir die anderen Jammerlappen her! Aber beeilt euch. Im Morgengrauen muß alles erledigt sein!«
Schreiend und johlend sprang ein halbes Dutzend Piraten über die Reling. An Tauen ließen sie sich zu der wartenden Barkasse hinab.
John Sinclair aber hing gefesselt am Mast des Geisterschiffes. Selten hatte es so wenig Hoffnung für ihn gegeben.
Diesmal war sein Tod wohl endgültig…
***
Als Basil Proctor die Nebelwand sah, wußte er, daß alles vorbei war. Nie hätte sich das Schiff schon so früh materialisieren dürfen. Der Vorgang hätte erst eintreten müssen, wenn die zweite Mannschaft völlig komplett war – oder wenn etwas Unvorhergesehenes eintrat.
Wie jetzt, zum Beispiel.
Der Millionär starrte durch das Sichtfenster des Bunkers. Er konnte den Nebelstreifen erkennen, zum Teil sogar durch ihn hindurchsehen, und er erkannte schattenhaft die Gestalten auf dem Deck des Schiffes. Er sah auch, wie John Sinclair an Bord gehievt wurde und bekam Johns Kampf mit den Piraten mit. Dann wurde der blondhaarige Fremde an einen Mast gefesselt.
Wenig später löste sich die Barkasse vom Schiff. Die Ruderer legten sich in die Riemen. Hart kämpften sie gegen die zurücklaufende Brandung an.
Basil Proctor wollte sie empfangen. Mit dem Rollstuhl fuhr er durch die Gänge. Dabei rief er immer wieder nach Ali, doch von dem Araber war nichts zu sehen.
Das steigerte die Wut des Millionärs.
Lautlos rollte der Stuhl durch die Gänge. Wie ein Gnom hockte Proctor auf dem Sitz. Sein Gesicht war haßverzerrt. Hin und wieder brabbelte er unverständliches Zeug.
Vor dem Ausgangstor stoppte er.
Wie die Einfahrt einer großen Garage, so schwang das Tor hoch. Proctor blieb mit seinem Rollstuhl im Eingang stehen, um die Abordnung zu erwarten.
Das Boot wurde von der Dünung in die Bucht getragen und auf den kleinen Strand geschoben.
Die Männer sprangen von Bord. Vier Piraten zogen das Boot ganz auf den Strand. Dabei achteten sie darauf, nicht mit dem Seewasser in Berührung zu kommen.
Einer der Piraten war jedoch zu nachlässig. Plötzlich zuckte er zusammen und begann zu schreien. Eine Welle war über seinen Fuß geschwappt. Im Nu hatte das Wasser das Fleisch gelöst. Der blanke Knochen schimmerte. Der Pirat starrte darauf, als wäre es das schrecklichste Übel überhaupt. Und das war es in der Tat.
Der Knochenfraß breitete sich aus. Schon in der nächsten Minute hatte er das Schienbein erfaßt. Der Pirat schrie in blinder Todesangst.
Da griffen
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