0004 - Im Totenreich der Ghouls
Nylon hatte sich um ihn herum wie ein Sack geschlossen.
In diesem Sack brüllte und tobte das Ungeheuer. Das Nylon bekam abwechselnd von den Armen und Beinen des wütend um sich schlagenden Monsters zuckende Ausbuchtungen.
Der riesige Sack, in dem sich der Dämon befand, baumelte an einem dicken, widerstandsfähigen Strick, der von David Winner an den Dachfirstbalken geknüpft worden war.
Zamorra griff hastig nach dem Benzinkanister, den David Winner auf seine Anweisung hin hier neben der Tür bereitgestellt hatte.
Er übergoß den hin und her schwingenden Nylonsack, in dem der Ghoul verzweifelt tobte und sich zu befreien versuchte, mit Benzin. Blubbernd floß der rötlich gefärbte Treibstoff aus dem Kanister. Klatschend ergoß er sich über den riesigen Sack.
Zamorra holte sein Gasfeuerzeug aus der Tasche. Er schnippte es ungerührt und mitleidlos an.
Der letzte Akt konnte beginnen.
Zamorra warf das Feuerzeug nach dem Nylonsack. Augenblicklich fing das Benzin Feuer. Gierig und unheimlich schnell leckten die züngelnden orangefarbenen Flammen über das graue Nylon, das den Ghoul umhüllte, der in diesem für ihn so entsetzlichen Moment furchtbare Schreie ausstieß.
Schnell fraßen sich die Flammen in das Nylon hinein, durch den Kunststoff hindurch, ließen ihn auflodern und mitbrennen.
Morrison schrie erbärmlich.
Zamorra lief es kalt über den Rücken, aber er hatte kein Mitleid mit dem schrecklichen Dämon.
Immer schriller wurden die Schreie.
Die schleimige Masse des Ghouls begann zu schmelzen, während die grausigen Schreie des furchtbaren Wesens allmählich schwächer wurden.
Der große Nylonsack war nun schon an vielen Stellen leck.
Durch die Löcher tropfte der zusammenschmelzende Ghoul ins Erdgeschoß hinunter.
Der Sack wurde allmählich schlaff.
Der Schrei des Leichenfressers verstummte. Die Flammen fraßen weiter. So lange, bis nur noch das rußgeschwärzte Seil am Dachfirstbalken hing…
***
Es war eine kleine intime Bar und so weit vom Hotel gelegen, daß Nicole Professor Zamorra kaum finden würde.
»Worüber denken Sie nach, Professorchen?« fragte Britt Vanessa mit einem innigen Lächeln.
»Über viel zu viele Dinge«, sagte Zamorra verlegen. Er war heute nicht gerade ein guter Gesellschafter.
»Ich habe mich sehr über Ihren Anruf gefreut«, lächelte Britt.
»Ich habe versprochen, mich zu melden.«
Sie kicherte in ihr Glas hinein. »Danke, daß Sie es getan haben.«
Und während sie an ihrem Martini schlürfte, konnte Zamorra sie ungehindert betrachten.
Diesmal trug sie ein giftgrünes, tief ausgeschnittenes Kleid, das mehr zeigte, als es verhüllte.
»Es ist mein letzter Abend in London«, sagte sie bedauernd. »Ich muß morgen wieder nach Stockholm zurückfliegen.«
»Haben Sie London genossen, Britt?«
Das Mädchen kicherte. »Sie hatten recht, Professorchen. Man muß wirklich die Hälfte von dem wegstreichen, was einem die Leute über diese Stadt erzählen.« Sie neigte den Kopf. Ein verträumter Ausdruck legte sich über ihre strahlenden Augen. »Trotzdem hatte ich ein Erlebnis hier, das einen bleibenden Eindruck auf mich gemacht hat.«
»Ich auch«, sagte Professor Zamorra, und er dachte an William Morrison, den Ghoul.
Er ließ Britt von ihrem Erlebnis erzählen, denn sein Kampf mit dem Ghoul war wirklich kein Gesprächsthema.
ENDE
[1] Siehe Professor Zamorra Nr. 1 »Das Schloß der Dämonen«
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