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0006 - Ich stürmte das graue Haus

0006 - Ich stürmte das graue Haus

Titel: 0006 - Ich stürmte das graue Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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Geschwindigkeiten einen Wagen schneller zum Stehen bringt, wenn man zweimal scharf durchtritt, als bei einmaligem anhaltendem Bremsen. Mag sein, daß Sie durch das Erlöschen der Lichter zwischen den beiden Bremsbewegungen den Eindruck hatten, ich wollte den Wagen nicht stoppen.«
    »Besteht eigentlich irgendein Grund, ihm seine Geschichte zu glauben?« fragte ich Mr. High.
    Der Chef nickte.
    »Mr. Gradness hat einen guten Namen bei allen Behörden, ganz besonders bei Behörden, die mit der Bekämpfung von Verbrechen zu tun haben. Er ist Vorsitzender der Vereinigung zur Hilfe für Vorbestrafte, einer wohltätigen Organisation, die es als ihre Aufgabe betrachtet, bestraften Gesetzesbrechern wieder auf den richtigen Weg zu helfen. Ich glaube, daß Mr. Gradness und sein Klub eine Menge dazu beigetragen haben, daß viele Leute nicht in die Versuchung gerieten, rückfällig zu werden. Und da Mr. Gradness sich eines nicht unbeträchtlichen Vermögens erfreut, beschränkt sich seine Hilfe nicht nur auf Worte. Wirklich, Jerry, es ist nach der ganzen Art von Mr. Gradness Vorleben unmöglich, daß er in diese Sache verwickelt sein soll, und der Untersuchungsrichter würde mich für verrückt halten, wenn ich ihn um die Gegenzeichnung eines Haftbefehls für James Gradness bitten wollte.«
    »Hören Sie, Chef«, sagte ich, »ich kenne Mr. Gradness nicht. Während ich mit Landy die Treppe hinunterging, kam der Telefonfachmann aus dem Keller. Er lief weg, und ich hätte ihn erwischt, aber er wurde aus dem gegenüberliegenden Haus mit einem erstaunlich sicheren Schuß erledigt. Ich hätte den Schützen fangen können, wenn nicht der verdammte Wagen im rechten Augenblick aufgekreuzt wäre, und am Steuer dieses Wagens saß Gradness. Genügt das nicht?«
    »Nein, Jerry, es genügt auch sachlich gesehen nicht. Die ganze Geschichte spielte sich rasend schnell ab. Noch keiner der Wagen hatte gestoppt, als Sie auf die Straße stürzten. Sie wurden von einem Fahrzeug erwischt, an dessen Steuer ebensogut der Präsident der Vereinigten Staaten hätte sitzen können. Kein Autofahrer ist verpflichtet, ständig mit dem Auftauchen eines FBI-Mannes zu rechnen, der plötzlich über die Straße schießt.«
    Ja, der Chef hatte recht, aber mir gefiel es doch nicht. Vielleicht war es nur Enttäuschung darüber, daß ich schon zu sicher geglaubt hatte, ein Mitglied der Bande in der Hand zu haben. Ich gab es noch nicht auf.
    »Wo kamen Sie her?« fragte ich Gradness.
    »Die Bainbridge Avenue herunter, wenn ich mich recht erinnere, dann die 24. Straße, und hier bog ich in die 63. Straße ein.«
    »Fuhren Sie überall schnell?«
    »Wie es der Verkehr zuließ, aber durchschnittlich vierzig Meilen.«
    Ich blickte ihn scharf an. »Mr. Gradness, ich werde versuchen, Zeugen zu finden, die aussagen, daß Sie nicht von der 24. Straße in die 63. Straße eingebogen sind, sondern daß Ihr Wagen in der 63. Straße geparkt hat, bis sich die Szene vor dem Bürohaus abspielte.«
    »Das steht Ihnen frei, aber ich fürchte, Sie werden solche Zeugen nicht auftreiben können. Es tut mir leid, daß Sie eine so schlechte Meinung von mir haben, Mr. Cotton. Glauben Sie mir, niemand bedauert mehr als ich, daß Ihnen Ihre Verbrecherjagd verdorben wurde und daß ausgerechnet ich der Pechvogel sein mußte. Ich lege Wert darauf, daß Sie sich ein richtiges Bild von mir machen. In einigen Tagen gebe ich einen kleinen Empfang für Leute, die sich für Fragen der Gefangenenhilfe interessieren. Wahrscheinlich kommen auch der Oberbürgermeister und der Gouverneur. Ich werde Mr. High, Ihnen und Ihrem Kollegen Mr. Decker eine Einladung schicken, und ich freue mich, wenn Sie kommen werden. Ich glaube, wenn Sie gesehen haben, welche Leute meinem Haus die Ehre geben, werden Sie mich nicht mehr verdächtigen, mit Verbrechern unter einer Decke zu stecken.«
    »Ihr Umgang besagt gar nichts«, knurrte ich.
    Gradness lachte auf. »Darf ich mich jetzt verabschieden?« Diese Frage war an Mr. High gerichtet.
    Er drückte dem Chef die Hand. Phil und mir nickte er zu.
    ***
    An einem Maimonat vor fünfzehn Jahren stand John Landy, damals noch ein relativ schlanker Mann Mitte der Dreißig, mittellos auf der Straße. Er war ein kleiner Angestellter in einem Tuchladen und wurde hinausgeworfen, weil der sich abzeichnende Krieg das Tuchgeschäft fast zum Erliegen brachte. Das schlimmste für John war, daß er in diesem Jahr eigentlich hatte heiraten wollen. Jetzt, ohne Job, traute er sich nicht. Er

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