0006 - Schach mit dem Dämon
Zigaretten.
»Wenn Sie rauchen wollen, bitte…«
»Nein.«
»Wie Sie wünschen.« Octavio behielt sein falsches Lächeln bei. »Ich bin Gönner«, sagte er und machte eine einladende Handbewegung. »Sie haben den ersten Zug, Mister Sinclair!«
Das Spiel begann!
Suko, Bill, Sheila und Jane hörten die Worte. Und sie spürten jedes einzelne wie einen geistigen Hammerschlag. Was sich dieser Satan ausgedacht hatte, war der reinste Horror.
John Sinclair sollte, um seine Freunde zu retten, mit Octavio Schach spielen.
Sicher, John war ein guter Schachspieler, und es bestand durchaus die Möglichkeit, daß er das Spiel gewann. Nur würde Octavio sein Versprechen nicht einhalten. Dafür waren die Dämonen bekannt. Sie siegten nur durch Lug, Trug und Gemeinheit.
»Wir dürfen nur nicht die Nerven verlieren«, flüsterte Suko, »auch die Frauen nicht. Egal, was geschieht.«
»Meinst du denn, daß John es schafft?« fragte Bill. In seiner Stimme schwang leichter Zweifel mit.
»Er wird es dem verdammten Kerl auf jeden Fall nicht leichtmachen. John hat sicherlich noch einen Trumpf in der Hinterhand. Dazu kenne ich ihn lange genug.«
»Und wir? Sollen wir uns fügen?«
Suko nickte. »Es bleibt uns nichts anderes übrig. Wir müssen kämpfen. Du hast ja gehört, welchen Part du übernnommen hast. Ich kann dir auch meinen Speer geben, Bill.«
Der Reporter schüttelte den Kopf. »Nein, nein, behalte du ihn lieber. Ich schlag mich schon durch.« Bill warf einen Blick nach oben, wo die riesige Kuppel den Himmel bildete. Die beiden Gesichter waren verschwunden. »Ich drücke dir die Daumen, John«, flüsterte der Reporter.
Er und Suko gingen auf ihre Felder.
Suko nahm neben der Dame, also neben Jane Collins, Aufstellung. Das Gesicht der Detektivin wirkte ausdruckslos.
Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn.
Bill hatte neben Suko seinen Platz. Seine Blicke suchten immer wieder Sheila Conolly. Er merkte, wie ihre Wangenmuskeln zuckten. Sheila weinte.
Die heiße Wut stieg in dem Reporter hoch. Um liebsten hätte er mit dem Schwert dazwischengehauen und alle Figuren zu Boden gedroschen.
Die Spannung wuchs.
Sie wurde unerträglich und legte sich wie ein eiserner Reif um die Körper der Freunde.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Feldes standen die schwarzen Figuren wie eine finstere Drohung. Die Bauern hielten ihre Lanzen zwischen Arm und Körper geklemmt. Die Spitzen zeigten schräg nach oben.
Stolz saßen die Springer auf ihren Pferden. Die blanken Schwerter blitzten in ihren Fäusten. Nur die Türme wirkten plump, aber Bill und Suko ließen sich durch das Aussehen nicht täuschen. Sie waren bestimmt gefährlich und standen mit den anderen auf einer Stufe.
Wie hatte jemand das Schachspiel getauft? Das Königliche Spiel. Bill Conolly hatte eher das Gefühl, daß es für ihn und seine Freunde zu einem Mörderspiel werden sollte…
***
Ich zögerte noch. Immer wieder zermarterte ich mir das Hirn nach einem Ausweg.
»Bitte, Mr. Sinclair. Sie haben den ersten Zug. Oder trauen Sie sich nicht?«
Ich hob den Blick. »Darf man bei Ihnen nicht überlegen?«
Octavio lachte. »Sicher doch. Nur nicht so lange vor dem ersten Zug. Ich will Ihnen der Fairneß halber noch etwas mitteilen. Ich habe die Länge des Spiels auf zwei Stunden begrenzt. Sie sollten sich daran halten. Wenn Ihnen am Beginn schon zuviel Zeit verlorengeht, fehlt sie Ihnen unter Umständen zum Schluß.«
»Danke für den Ratschlag«, erwiderte ich sarkastisch.
Ich faßte den Bauern vor Bill Conolly und schob ihn ein Feld nach vorn, auf G3. Damit hatte ich den Weg für Suko, schon frei gemacht. Auf Suko setzte ich all meine Hoffnungen.
Octavio sah mich an. »Nicht schlecht, Sinclair, nicht schlecht.« Er nahm seinen Bauer und schob ihn auf B6. Das war genau der Parallelzug auf der anderen Hälfte.
Nicht einmal ungünstig für mich, da ich um einen Zug im voraus war.
»Weiter, Mister Sinclair!«
Ich holte tief Luft. Jetzt würde ich zum erstenmal meinen Freund Suko ins Spiel bringen. Ich wollte ihn auf G2 setzen, damit er freie Bahn diagonal über das Spielfeld hatte.
Ich faßte den Läufer an und schob ihn vor…
***
Der Bauer vor Bill Conolly setzte sich in Bewegung. Zwei Schritte ging er vor, dann hatte er das nächste Feld erreicht.
»Es geht los«, flüsterte Bill dem Chinesen ins Ohr. »Ich ahne, was John vorhat. Gar nicht mal schlecht. Wir haben die Partie selbst, schon einige Male durchexerziert.
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