0006 - Schach mit dem Dämon
der Könige. Ich habe mich ebenfalls damit beschäftigt. Wir werden ungefähr gleich gut sein. Allerdings hat die Sache bei Ihnen einen Haken. Sie spielen um das Leben Ihrer Freunde.«
Ich schluckte. Obwohl ich mit einer ähnlichen Situation gerechnet hatte, war ich doch überrascht. Aber es sollte noch schlimmer kommen. Viel schlimmer.
»Die weißen Figuren sind für Sie, Sinclair. Die Regeln brauche ich Ihnen ja nicht zu erklären. Aber ich will Ihnen etwas anderes zeigen. Sehen Sie mal in den Spiegel.«
Ich drehte mich so, daß ich die matt schimmernde Fläche betrachten konnte.
Neben mir murmelte Octavio einige magische Formeln. Er stieß die Worte scharf und abgehackt hervor.
Die Spiegelfläche veränderte sich. Sie wurde klar und durchsichtig. Wieder konnte ich einen Blick in die andere Dimension werfen.
Plötzlich wurden meine Augen groß, denn ich sah etwas, was mich an meinem Verstand zweifeln ließ…
***
Auch Sheila Conolly wußte sofort, was los war. Ängstlich klammerte sie sich an ihren Mann. »Dein Traum, Bill«, flüsterte sie. »Dein Traum!«
Bill Conolly nickte. Trotz der Hitze brach ihm der kalte Schweiß aus. Wie eine zweite Haut bedeckte er den Körper.
Suko dachte nach. »Wir sind hierher gelockt worden«, sagte er. »Anders kann ich mir das nicht vorstellen.«
»Wieso?« fragte Jane.
»Dreh dich mal um!«
Die Detektivin wandte den Kopf. Sie hatte Mühe, einen Schrei zu unterdrücken. Der riesige Totenschädel, der gleichzeitig als Eingang diente, war versperrt. Das Maul – es hatte an der Rückseite die gleiche Form wie vorn – war verschlossen.
Die vier Menschen waren Gefangene. Gefangene auf einem riesigen Schachbrett.
»Aber wieso denn?« flüsterte Jane. »Was – was will man hier mit uns? Weshalb führt man uns zu einem Schachbrett?«
»Darauf wirst du sicherlich bald eine Antwort bekommen«, erwiderte Suko. Er hatte sich gebückt und untersuchte den Boden, auf dem sie standen.
Er war spiegelblank, und glatt. Die dunkelrote Sonne stand senkrecht über dem Feld. Die kleinen Menschen warfen kaum einen Schatten.
»Wir sind ebenfalls zu Figuren gewordene«, sagte Bill mit heiserer Stimme. »Zu Figuren in einem teuflischen Spiel. Ich weiß es. Und ich weiß auch, daß wir dieses Schachbrett nicht mehr lebend verlassen werden.«
Suko fuhr herum. »Wie kannst du so etwas nur sagen!«
»Weil ich einen Traum gehabt habe.« Bill nickte heftig, als er Sukos verständnislosen Blick bemerkte. »Ja, zum Teufel, ich habe einen Traum gehabt. Ich selbst habe mich auf diesem Schachbrett gesehen. Eingekreist von den einzelnen Spielern. Springern, Bauern, Läufern sie alle wollten mich töten. Hier auf dem Boden lag ich.« Bill deutete auf ein Karree. »Ich hatte keine Chance. Glaubt mir. Wir werden hier sterben.«
Der Reporter war mit seinen Nerven am Ende. Er setzte sich einfach hin und vergrub das Gesicht in beide Hände.
»Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte es wissen müssen«, stammelte er immer wieder.
Sheila kümmerte sich um ihren Mann, während Suko einige Schritte zur Seite ging, um das Schachfeld abzulaufen.
Jane Collins holte den Chinesen ein. »Was sagst du zu Bills ›Traum‹?« Der Chinese blieb stehen. »Träume können oft in Erfüllung gehen«, erwiderte er.
Jane hob die Augenbrauen. Auch ihr Gesicht war von den vergangenen Strapazen gezeichnet Nur mit Mühe bewahrte sie ihre Haltung. »Du sagtest ›können‹, Suko.«
»Ja. Sie müssen nicht, Bill hat bei seinem Bericht eins vergessen.«
»Und das wäre?«
Suko lächelte. »Mich wundert es, daß du noch nicht von selbst darauf gekommen bist, große Detektivin.«
»Laß doch jetzt die Scherze.«
»Bill hat nur sich in seinem Traum gesehen. Aber in Wirklichkeit sind wir zu viert, das solltest du nicht vergessen. Wir werden uns unserer Haut wehren.«
Jane Collins nickte. »Du hast recht, Suko. Wir sind zu viert. Allerdings waffenlos.«
Der Chinese hob seinen Speer. »Und dies?«
»Willst du damit ernsthaft gegen dämonische Wesen angeben.«
»Es bleibt mir ja nichts anderes übrig.«
Jane streichelte Suko über sein Gesicht. »Du bist auch nicht kleinzukriegen, wie?«
»Ich bin immer Optimist geblieben.«
Jane Collins ließ Suko stehen und kümmerte sich um Bill. Sheila empfing die Detektivin achselzuckend. »Ich weiß nicht, was mit Bill los ist. So kenne ich ihn gar nicht. Kümmere du dich doch mal um ihn.«
»Auch Männer haben mal das Recht, schwach zu sein«, erwiderte Jane. »Es ist gut,
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