0006 - Schach mit dem Dämon
gegen die Decke. Dann sagte er: »Gebe Gott, daß dieser Traum niemals in Erfüllung geht…«
***
Ich betrat das Bad und machte Licht. Augenblicklich sah ich mein Spiegelbild. Ein ziemlich mieses, muß ich ehrlich gestehen.
Das ist er also, stellte ich fest. Der berühmte Geisterjäger, Feind aller Dämonen und finsteren Mächte.
Im Schlafanzug sehen alle Menschen irgendwie gleich aus. Auch ich. Ich, John Sinclair, seines Zeichens jüngster Oberinspektor bei Scotland Yard, ziemlich groß, blondhaarig, blaue Augen und mit einer Narbe versehen, die mir Doktor Tod verpaßt hatte. Die Narbe zog sich quer über die rechte Wange. Sie war kaum zu erkennen, nur wenn ich sehr unter Streß stand glühte sie dunkelrot.
Im Augenblick war ich müde. Ich streckte mir selbst die Zunge heraus. Sie war belegt. Ich gähnte und stellte mir vor, jetzt irgendwo auf einer einsamen Berghütte zu sein und die Nebelschwaden zu beobachten, die aus den Tälern stiegen.
Leider war ich es nicht, sondern befand mich in meiner Wohnung. Ich hatte Geburtstag. Jawohl, ich war mal wieder reif. Aus diesem Grund hatte ich auch einen Tag Urlaub genommen. Mit dem heutigen Freitag sollte es ein verlängertes Wochenende werden. Mit einer Feier am heutigen Abend.
Geburtstag! Wie sich das anhörte. Als Kind hatte ich mich darauf gefreut, aber wenn man das dreißigste Lebensjahr überschritten hatte, dann begann man schon nachzudenken. Ich kenne Leute, die sagen kurz und knapp: mit Dreißig ist der Lack ab! Ich gehöre nicht zu den Pessimisten, obwohl ich eigentlich dankbar sein mußte, daß ich diesen Geburtstag noch feiern konnte. Wenn ich so an die vergangenen Jahre denke, dann läuft mir nachträglich noch eine Gänsehaut über den Rücken.
Zuviel war auf mich eingestürmt. Ich hatte mich mit den schlimmsten Dämonen herumgeschlagen. Erst vor wenigen Tagen noch war ich mit einem gesamten Vergnügungspalast in eine andere Dimension versetzt worden.
Unbegreiflich…
Ich scheuchte die trüben Gedanken fort und stieg aus meinen Schlafanzug.
Dann hüpfte ich unter die Dusche. So etwas macht mich immer munter.
Zehn Minuten überließ ich meinen Körper den Wasserstrahlen, und gerade als ich aus der Kabine stieg, klingelte das Telefon.
Der erste Gratulant?
Tropfnaß ging ich in den Living-room. Beim fünften Klingeln hob ich ab.
»Sinclair!«
Die Männerstimme am anderen Ende der Leitung begann zu lachen. »Sie haben heute Geburtstag?«
Mir schwante schon Böses. »Ja«, erwiderte ich. »Und?«
»Es wird ihr letzter Geburtstag sein, Sinclair. Noch heute werden Sie zur Hölle fahren. Es ist Schluß, vorbei!«
Klick. Der Anrufer hängte ein.
Ich starrte auf den Hörer. Wenn das kein Geburtstagsgruß war. Von meinen Haaren tropfte das Wasser. Es rann auf den Teppich und wurde dort aufgesaugt. Ich wischte mir über die Stirn und legte den Hörer auf die Gabel. Ich fühlte, wie die Spannung sich in meinem Körper breitmachte.
Okay, man wollte mich also wieder umlegen. Wer, wußte ich nicht. Aber einen Fehler hatten die Unbekannten gemacht. Sie hatten mich gewarnt, und so konnte ich meine Vorbereitungen treffen.
Ich begann mich anzuziehen. Ich versuchte so etwas wie ein freudiges Geburtstagsgefühl zu entwickeln, doch das war nicht drin. Zu deutlich war die Warnung gewesen.
Es schellte.
Das konnte eigentlich nur Suko sein.
Doch vorsichtig geworden, blinzelte ich durch den Spion.
Tatsächlich stand Suko vor der Tür. Er hatte sein breites Gesicht zu einem Lächeln verzogen, und als ich öffnete, gratulierte er mit einer Herzlichkeit, die ich dem alten Kämpfer gar nicht zugetraut hätte.
Suko war mein Freund. Ich hatte ihn bei einem haarsträubenden Einsatz kennengelernt, und er war dann mein Verbündeter im Kampf gegen die Mächte der Finsternis geworden. Sein Gesicht erinnerte etwas an einen Pfannkuchen. Suko war kleiner als ich, aber ungeheuer breit und muskulös. Befand er sich einmal in Action, blieb kein Auge trocken. Da wurde er förmlich zu einem Karatetiger und nahm es mit fünf Leuten gleichzeitig auf.
»Komm rein«, sagte ich und schloß die Tür. Wir hatten verabredet, gemeinsam zu frühstücken.
»Man hat mir schon einen Geburtstagsgruß geschickt«, klärte ich Suko auf.
»Wer hat denn angerufen? – Jane?«
»Ich wollte, es wäre so. Nein, ein unbekannter Freund. Er hat versprochen, mich heute noch zur Hölle zu schicken.«
Suko erstarrte mitten in der Bewegung. »Stimmt das?«
»Ich mache keine
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