0007 - Die Nacht der mordenden Leichen
Polizisten als Wache dort gelassen.«
»Ziehen Sie ihn wieder ab«, empfahl Professor Zamorra. »Ich werde heute nacht selbst dort sein.«
***
Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis der Professor sein Gespräch nach Nizza bekam. Er hatte ohnehin am Nachmittag nach Tournon fahren müssen, um überhaupt telefonieren zu können.
Nicole war bummeln gegangen, während er in der Bullenhitze des Postamtes seit einer geschlagenen Stunde ausharrte. Seine Laune näherte sich merklich dem Tiefpunkt.
Gerade als er Südfrankreich im allgemeinen und die Postverkabelung im besonderen zum Teufel wünschen wollte, reckte ein hagerer Postbeamter den Kopf über die Kathedralglasbarriere seines Schalters. Er grinste, als hätte er das große Los bei der Wochenlotterie gezogen.
»Ihr Gespräch ist schon da, Monsieur. Sie haben ungeheures Glück.«
Professor Zamorra verbiß sich eine Antwort. Sie hätte dem stolzen Beamten nicht gefallen.
In der Telefonzelle an der Stirnwand der Schalterhalle herrschte eine ungeheure Hitze. Ein Brutkasten war ein Gefrierschrank dagegen. Die Hitze und die feuchtheiße Luft nahmen ihm fast den Atem.
Er stellte seine Schuhspitze in die Tür, um wenigstens etwas Linderung zu haben.
»Hallo«, sagte er in die Muschel.
»Hier Hotel Carlton. Wen wollen Sie sprechen?«
»Einen Mr. Bill Fleming, bitte. Er muß heute vormittag aus den Vereinigten Staaten angekommen sein.«
»Einen Augenblick, bitte«, antwortete das Mädchen am anderen Ende der Leitung. »Ich werde mich bemühen. Gedulden Sie sich bitte.«
Dann knackte es in der Leitung.
Bill Fleming war ein alter Freund Zamorras. Als Historiker und Naturwissenschaftler stand er dem Forschungsgebiet des Freundes skeptisch gegenüber, wenngleich er zusammen mit Professor Zamorra schon einige haarsträubende Abenteuer erlebt hatte. Trotzdem versuchte er stets, rein verstandesmäßig und ohne Emotionen an Probleme heranzugehen, die an der menschlichen Vernunft nicht mehr zu messen waren.
Bill Fleming und Professor Zamorra ergänzten sich.
Endlich klang die vertraute Stimme des Freundes aus dem Hörer.
»He, Zamorra! Alter Magier.«
Bill Fleming war waschechter Amerikaner. Sie hatten sich in New York kennengelernt.
»Na, du Leuchte der Wissenschaft? Wie geht’s?«
»Gut. Ich hatte eigentlich erwartet, daß du schon vor mir in Nizza bist. Wo steckst du denn?«
»Lamastre heißt das Nest. Es liegt in den Ardennen an der Route 533. Hast du bestimmt noch nie gehört. Ich könnte deine Hilfe gebrauchen!«
»Was ist denn passiert? Ist mit deinem Wagen etwas nicht in Ordnung? Sitzt du fest?«
»Nichts von alledem. Ich habe hier etwas entdeckt, und dem möchte ich auf den Grund gehen.«
»Fällt es in dein Gebiet?«
»Das ist noch nicht sicher. Doch es hat den Anschein. Ich weiß, es ist unverschämt, um was ich dich jetzt bitte, aber du würdest mir wirklich einen großen Gefallen tun.«
»Erzähl mir keine Romane, lieber Freund«, meinte Bill Fleming.
»Ich kenne dich lange genug. Wenn du mir so kommst, hast du wieder ein Steak am braten. Wirst du zum Kongreß kommen?«
»Ich hoffe es sehr.«
»Dann rück mal raus mit der Sprache. Was kann ich für dich tun? Ich habe den Gedanken schon aufgegeben, ein paar nette Tage mit schönen Frauen am Strand von Nizza zu liegen.«
»Tut mir wirklich leid«, meinte Zamorra. »Aber ich könnte mir keinen Besseren denken, der mir in dieser Angelegenheit helfen könnte. Du kennst doch das Institut Historique d’Inquisition in Marseille? Dort lagern die ganzen alten Akten über die Hexenprozesse im Mittelalter. Sieh mal nach, ob du nicht etwas über eine Verbrennung in Lamastre findest. Ich kann dir den Namen der Frau nicht sagen. Aber die Akten sind ohnehin nicht alphabetisch geordnet. Es muß vor rund vierhundert Jahren gewesen sein. Die Hexe stammte aus Le Cheylard. Wenn ich mich nicht irre, unterlag damals die Kirchengerichtsbarkeit des Gebietes der Ardèche Drôme dem Bezirk Lyon. Das müßte dir eigentlich weiterhelfen. Kannst du mir die Akten besorgen?«
»Ich hatte Schlimmeres erwartet. Als Historiker dürfte ich da keine Schwierigkeiten haben. Ich werde dir die Unterlagen besorgen. Wie ich dich kenne, brauchst du sie gestern?«
Professor Zamorra mußte trotz der Schwüle in seinem Telefonkäfig grinsen.
»Es reicht, wenn du sie mir so bald wie möglich besorgst. Du kannst mir die wichtigsten Informationen dann ja telegrafisch durchgeben. Oder noch besser: Ich rufe dich wieder an. Wo bist du in
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